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Musterdepot: So übst du das Anlegen von Aktien

Musterdepot: Taschenrechner + Aktienkurs
© Zadorozhnyi Viktor / Shutterstock
Kann man Börsengeschäfte eigentlich üben, ohne das Risiko, Geld zu verlieren? Kann man – nennt sich Musterdepot. BRIGITTE-Redakteurin Alexandra Zykunov hat es ein Jahr lang getestet.

Ok, jetzt reicht’s!, dachte ich mir vor einem Jahr. Seit Langem schon will ich "irgendetwas mit Aktien" machen, mein Geld vermehren, aber ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Weil die Zeit fehlt, weil das Thema so abgehoben erscheint. Und, seien wir ehrlich, weil Vergleichsportale, Beratungen und Warentests komplett überfordern.

So beginnst du mit dem Anlegen von Aktien

Ich fühle mich wie ein Läufer, der zwar den Schuss gehört hat, aber nicht weiß, wo seine Startposition ist – und der nun hin und her irrt, während die anderen an ihm vorbeiziehen. Die anderen, das sind die Experten, die mich aus meinen Social-Media-Kanälen anschreien, die Keule der Altersarmut schwingen und nicht müde werden, zu erklären, wie doll mein Geld an Wert verliert auf diesen sterbenslangweiligen Konten. Also fange ich jetzt an, irgendwo.

Das tolle ist: die Aktien sind echt. Mein Geld nicht.

First things first: Ich weiß, dass man für den Aktienhandel ein Depot bei einer Bank braucht. Ist wie ein Konto für Aktien. Ich google also „Depot Testvergleich“ und habe jetzt schon keinen Bock mehr. Die Übersichtstabellen sind endlos. Bei Filialbanken kann ein Depot bis zu 30 Euro im Jahr kosten. Bei Onlinebanken ist es kostenlos, aber man verzichtet auf eine Beratung in Menschengestalt. Auch hier vergleicht man sich ’nen Wolf. Dann fallen pro Aktienkauf auch noch Gebühren an, mal fünf, mal 15, mal 30 Euro. Eine Flatrate lohnt sich, steht da, je nachdem, welcher Anlagetyp man ist. Was weiß ich denn, welcher Anlagetyp ich bin?! 

Ich will meinen Börsengang schon begraben, als ich von dem sehr erfreulichen Aber lese: Die ganzen Tabellen dürfen erst mal komplett ignoriert werden. Man kann seinen Aktieneinstieg nämlich auch faken! Mit einem Test-Account quasi, einem sogenannten Musterdepot, das man sich kostenlos und total simpel aufs Handy zieht. Dort kann man dann in "Monopoly"-Manier schauen, wie sich die Aktien am echten Markt entwickeln, sie kaufen und verkaufen - komplett ohne Konsequenzen. Denn das Geld ist nicht echt. Es ist Spielgeld.

Genial!, denke ich, google „Musterdepot“ und lande bei der Onlinebank Onvista. Ich könnte das Musterdepot auch auf der Seite einer Filialbank eröffnen, bei anderen Onlinebanken oder auch auf Medienseiten wie der Börse-ARD oder der "F.A.Z." Die Anmeldung dauert zwei Minuten, ich brauche keinen Identitätsnachweis, nur meine Mailadresse und ein Passwort. Als erstes soll ich meinem Depot einen Namen geben: Ich tippe "Get me rich" und feiere mich dafür, dass ich meine innerlichen Hürden endlich mit einem kleinen Vorschlaghammer bearbeite.

Nur wenige Frauen in Deutschland besitzen überhaupt Aktien

Das bestätigt auch Patricia Hoesch von der Initiative "finanz-heldinnen" der Comdirect Bank. "Sie haben angefangen, sich mit Aktien zu beschäftigen, Sie wollten sich ausprobieren, das war ein wichtiger Schritt, den Sie bereits vielen Frauen voraus sind!" Denn: Die Deutschen sind Aktienmuffel. Im Jahr 2017 besaßen laut der Statistik des Deutschen Aktieninstituts rund 16 Prozent der Bevölkerung Aktien oder Anteile an Aktienfonds; weniger als jeder sechste Bürger. In den USA besitzt jeder Vierte Wertpapiere, in den Niederlanden sogar jeder Dritte. Hinzu kommt: Von den sowieso schon wenigen Aktionären hierzulande sind die meisten erstens: Ältere (50+) und zweitens: Herren.

Ich klicke auf die große Lupe und soll in die Suchleiste WKNs eintippen. Das sind die Wertpapierkennnummern, bestehend aus Zahlen und Buchstaben, um Aktien voneinander zu unterscheiden. Ich kann also entweder "Adidas" oder "BMW" in die Suchmaske eingeben oder die WKNs vorher ergoogeln. Habe ich eine eingegeben, ist meine App dann so nett, mir eine Grafik, einen sogenannten Snapshot zu liefern, wie sich die Aktie gestern, letzte Woche, letzten Monat oder die letzten Jahre entwickelt hat. Dann muss ich nur noch auf "Kaufen" klicken.

So weit, so einfach. Und dann wieder nicht. Denn welche von den Tausenden Wertpapieren ich überhaupt kaufen soll und vor allem wie viele, das verrät das Programm nicht. In dem Buch "Reichtum ist Frauensache" der Betriebswirtin Katja Eckardt lese ich: Erstens, man soll sich als Anfänger an maximal fünf Unternehmen gleichzeitig versuchen, sonst verliert man den Überblick. Und zweitens, sich nur Aktien besorgen, an denen frau auch emotionales Interesse hat. Heißt: Egal, wie lukrativ eine Anlage ist - wenn die zum Beispiel von einem Pharmahersteller stammt, ich mich aber null für Pharma interessiere, werde ich mich auch nie dazu aufraffen, mich mit dessen Firmenprognosen zu beschäftigen.

Für Gewinn sollten die Aktien viele Jahre liegen bleiben

Also entscheide ich mich für Folgendes: Mit einem weiteren Knopfdruck lasse ich mir 2500 Euro Spielgeld auszahlen (weil ich mir vorstellen kann, das auch tatsächlich mal ansparen zu können), und kaufe davon drei Facebook-Aktien für je 144 Euro, fünfmal Zalando für je 41 Euro, dreimal Hasbro für je 80 Euro, drei Netflix-Aktien für ziemlich teure 352 Euro pro Stück und viermal Home Depot für je 133 Euro. Facebook und Netflix, weil ich beides privat nutze. Den Online-Versandhändler Zalando und den Spielzeughersteller Hasbro, weil ich sehen will, ob sich bei denen das Weihnachtsgeschäft positiv auswirkt. Und Home Depot ist die größte US-Baumarktkette und soll einer der Profiteure von Trumps Präsidentschaft sein, weil er die maroden Straßen Amerikas reparieren will.

Schon einen Tag nach dem "Kauf" mache ich 50 Euro Gewinn. Yes! Dann 20 Euro Verlust. In den kommenden Wochen beobachte ich die Ups and Downs und suche in den Nachrichten nach Gründen: Die Home Depot-Aktie steigt traurigerweise während der Hurrikan-Saison - weil die Menschen ihre Häuser wieder aufbauen müssen. Und Facebook stürzt ab, als deren Datenskandal mit Cambridge Analytica bekannt wird.

Mindestens zehn Jahre, das lese ich immer wieder, soll man Aktien liegen lassen, wenn man Gewinn erzielen will. Ich mache den ersten Kassensturz nach immerhin sechs Monaten: Der Weihnachtsumsatz hat wenig gebracht, Hasbro ist in den Miesen, Zalando ist auch unbeständig. Also schmeiße ich beide aus meinem Portfolio. Bei Hasbro verliere ich insgesamt 35 Euro, bei Zalando kommt immerhin ein Gewinn von 21 Euro. Das viel größere Problem: Facebook und Netflix rauschen dermaßen in den Keller, dass ich zum ersten Mal froh bin, dass es nicht mein echtes Geld ist, das da mit einem dicken Minus vor einer roten Zahl verziert wird.

Man sollte das Depot immer gut im Auge behalten!

Da ich aber bei beiden Unternehmen mit insgesamt 1500 Euro relativ viel Geld im Pott habe, beherzige ich die Faustregel: Nicht zu früh verkaufen, die Krise aussitzen. Ja, die Börse schwankt. Der Deutsche Aktienindex (also die 30 größten börsennotierten Unternehmen, auch DAX genannt) schloss 2018 mit einem Minus von 18 Prozent ab. Doch wer 20 Jahre lang in den DAX investiert hat, hat am Ende durchschnittlich neun Prozent Rendite gemacht, analysieren Experten. Finanzkrise hin oder her.

Weitere sechs Monate vergehen. Das Aussitzen hat Folgendes gebracht: Ich bin mit Netflix und Facebook zusammen 400 Euro im Minus. Immerhin gibt es einen Lichtblick: Home Depot steigt und steigt und ich mache insgesamt 80 Euro Gewinn. Kinkerlitzchen? Nicht wenn man bedenkt, dass aus 532 Euro 612 Euro geworden sind. In einem Jahr! Ein Plus von 15 Prozent. Welches Tagesgeldkonto kann da bitte mithalten? Also lasse ich auch Home Depot weiterlaufen. Mal sehen, was da noch geht.

So spannend ich mein "Monopoly"- Experiment finde, so merke ich auch, dass ich mit der Zeit immer seltener in mein Depot schaue und gute Kauf- oder Verkaufmomente verpasse. Kein Wunder, dass Anfängern wie mir keine einzelnen Aktienkäufe empfohlen werden. "Also wenn Einzelaktien, dann sollte man auch parallel in weitere Varianten investieren und sich zum Beispiel auch für Fonds oder ETFs entscheiden, die viel mehr streuen", sagt Patricia Hoesch. Das heißt, dass sich dort nicht nur fünf, sondern Hunderte Unternehmen in einem Portfolio befinden. Rutscht der eine Firmenkurs ab, können die anderen das auffangen.

Wichtig ist, dass man sein Ziel kennt

Das Gute: Ich habe mich endlich damit beschäftigt, Hürden abgebaut, gemerkt, dass auch dort nur mit Wasser gekocht wird. Man muss nur irgendwo starten.

Und trotzdem: Wie viele Aktien sollte ich in der realen Welt besitzen? Ist ein Fonds doch besser? Und was ist, wenn ich geerbt habe und mich mit ein paar Tausend Euro ausprobieren will? "Wer wie viele Aktien kaufen sollte, und wie hoch die perfekte Einstiegssumme ist - das ist von Anleger zu Anleger verschieden. Eine Pauschalantwort wird Ihnen niemand geben können", sagt Hoesch. Verdammt. Und sie ergänzt: "Ihre allererste Frage sollte sein: Welches Ziel verfolgen Sie? Wollen Sie langfristig für Ihre Rente anlegen, für die Ausbildung Ihrer Kinder, über mehrere Jahrzehnte hinweg? Oder wollen Sie eine Summe kurzfristig anlegen, was ein höheres Risiko, aber auch höhere Gewinnchancen birgt? Je nachdem, wie Ihre Antwort ausfällt, sind mal Sparfonds, mal einzelne Aktien, mal eine Kombination aus beidem ratsam."

Ich will am liebsten alles davon! Ich schaue auf meine App. "Legen Sie heute noch ein Depot an", steht da. Einfach anfangen, denke ich. Und klicke drauf.

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Brigitte 05/2019

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