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Lebens- und Rentenversicherungen Lohnen sie sich?

Lebens- und Rentenversicherungen: Älteres Ehepaar wird beraten
© YAKOBCHUK VIACHESLAV / Shutterstock
Immer wieder heißt es, Lebens- und Rentenversicherungen seien teuer und unrentabel. Und jetzt fallen auch noch die Garantien weg! Was das genau bedeutet und warum das nicht schlecht sein muss: BRIGITTE-Finanzexpertin Helma Sick ordnet es für uns ein.

Seit mehr als 30 Jahren höre und lese ich, dass Lebens- und Rentenversicherungen zu viel kosten und überflüssig sind. Jüngster Anlass: Der größte deutsche Versicherer, die Allianz, garantiert nicht mehr, die eingezahlten Beiträge zu 100 Prozent wieder auszuzahlen. Die Aufregung ist groß.

Um welche Versicherungen geht es überhaupt?

Eine Klärung vorweg: Der Begriff "Lebensversicherung" wird für sehr unterschiedliche Produkte verwendet:

Die Risiko-Lebensversicherung ist keine Geldanlage, sondern eine reine Risikoabsicherung . Die Versicherungssumme wird ausschließlich im Todesfall an die Hinterbliebenen ausgezahlt. Um diese Versicherung geht es hier nicht.

Die Kapital-Lebensversicherung war jahrzehntelang eine der beliebtesten Anlageformen. Hier wird ein Teil Ihres monatlichen Beitrags angelegt, erwirtschaftet Zinsen und wird am Ende des Vertrages ausbezahlt. Ein anderer Teil fließt in eine Risiko-Lebensversicherung. Günstiger und transparenter ist es, wenn Sie Sparen und Risikoabsicherung trennen. Ihr Sparbetrag fließt besser zum Beispiel in eine private Rentenversicherung oder in Fonds. Die Hinter-bliebenen-Absicherung ist günstiger über eine separat abgeschlossene, preiswerte Risiko-Lebensversicherung. Wichtig zu wissen: Wenn Sie eine alte Kapital-Lebensversicherung haben, lösen Sie diese bitte nicht auf, bevor nicht jemand vom Fach draufgeschaut hat. Bei allen, die vor dem 1.1.2005 abgeschlossen wurden, die zwölf Jahre Laufzeit und laufende Beitragszahlungen aufweisen, ist die Kapitalauszahlung am Ende der Laufzeit steuerfrei. Es lohnt sich meist, diese Verträge zu halten.

Die private Rentenversicherung zahlt eine lebenslange, monatliche Rente. Im Gegensatz zu den anderen Renten (gesetzlich, betrieblich, staatlich gefördert) muss sie nur sehr gering versteuert werden. Während der Ansparzeit können Sie monatlich oder jährlich Beiträge einzahlen. Auch eine einmalige Summe und jährliche Zuzahlungen sind möglich. Für den Todesfall können Sie jemanden als Begünstigten einsetzen, dies aber auch jederzeit wieder ändern. Gibt es jetzt gar keine Garantien mehr?

Zum Hintergrund: Die Zinsen sind nun schon lang auf historischen Tiefständen. Für eine Bundesanleihe mit 30-jähriger Laufzeit müssen Anleger*innen sogar sogenannte Negativzinsen bezahlen – dafür, dass sie ihr Geld sicher unterbringen können. Versicherungsgesellschaften müssen, um ihre Garantie-Zusagen einhalten zu können, nicht nur Eigenmittel einsetzen, sondern brauchen auch sichere Anlagen mit sicheren Zinsen. Und letztere gibt es derzeit nicht. Das ist die eine Seite.

Die andere Seite ist, dass hohe Garantien weniger Renditechancen bedeuten. Wenn die Versicherung jedoch nur eine geringere Rückzahlung garantieren muss, kann sie mehr Geld in lukrativere, riskantere Anlagen investieren: Aktien, Unternehmens- und Schwellenländeranleihen, Baufinanzierungen, in erneuerbare Energien und Infrastrukturprojekte. Und die Chancen sind gut, dass bei einer langen Laufzeit die Zahlung am Ende sogar höher ist als die Garantiesumme.

Die Allianz ist die erste Versicherung (andere folgten schon), die sich deshalb von klassischen Policen verabschiedet. Aber sie schafft die Garantien nicht völlig ab. Stattdessen gibt es die klassischen Policen mit 90 Prozent Garantie. Oder Varianten, bei denen die Versicherten sich zwischen 60, 80 oder 90 Prozent garantierter Rückzahlung entscheiden können, oder Fondspolicen mit und ohne Ablaufmanagement (siehe unten) oder Hybridmodelle, sodass sich für die unterschiedlichsten Lebenssituationen das richtige Modell ganz ohne oder mit Garantien finden lässt.

Sind Fonds dann nicht die bessere Alternative?

Es kommt darauf an, in welcher Lebensphase Sie sich befinden. Unsere Bevölkerung besteht nicht überwiegend aus 20- oder 30-Jährigen, die noch 30 bis 40 Jahre Zeit bis zum Renteneintritt haben. Diese Altersgruppe ist in der Regel risikoaffin, hat nichts dagegen, sich selbst ETFs auszusuchen und online zu kaufen. Trotzdem fühlen sich auch hier viele von der Informationsflut überfordert und/oder sind beruflich so eingespannt, dass sie sich nicht auch noch damit beschäftigen möchten. Und die große Gruppe der 40- bis 60-Jährigen und Älteren hat nach meiner jahrzehntelangen Erfahrung häufig andere Wünsche: gute Streuung, wenig Risiko, sich nicht kümmern müssen.

Was spricht noch für eine Rentenversicherung?

Sie ist die einzige Geldanlage, die das sogenannte Langlebigkeitsrisiko abdeckt. Laut den Vereinten Nationen hat sich die Zahl der Menschen weltweit, die 100 Jahre und älter werden, in den letzten 20 Jahren fast vervierfacht. 80 Prozent davon sind Frauen! In Deutschland liegt die durchschnittliche Lebenserwartung einer Frau schon bei 84 Jahren. Das heißt: Wer heute mit 65 in Rente geht, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit noch fast 20 Jahre oder mehr vor sich. Die Rente aus einer privaten Rentenversicherung kommt, solange Sie leben, jeden Monat pünktlich auf Ihr Konto, selbst wenn Ihr eingesetztes Kapital längst verbraucht ist. Zwar können Sie sich auch bei einem Aktienfonds mit einem Auszahlplan monatlich Geld auszahlen lassen. Doch wenn es eine längere Börsenflaute gibt und die Kurse sinken, müssen dafür mehr Fondsanteile verkauft werden. Sie verzehren also die Substanz sehr schnell. Ob es dann bis zum Ende reicht?

Während der Anlagezeit fallen bei Rentenversicherungen (in allen Varianten) keine Steuern an. Bei der Rente selbst muss dann nur der Ertragsanteil versteuert werden. Bei einer 67-Jährigen sind das 17 Prozent der Rente, die mit dem individuellen, im Alter meist geringeren Steuersatz versteuert wird. Im Gegensatz dazu werden bei Fondssparplänen sowohl in der Ansparzeit als auch in der späteren Auszahlphase die Erträge (Zinsen, Dividenden, Kursgewinne) versteuert, darauf fallen 25 Prozent Abgeltungssteuer an. Nach der Bundestagswahl im Herbst kann es sein, dass auf eine andere Art der Besteuerung umgestellt wird.

Wer über eine Rentenversicherung in Fonds investiert (anderer Name: Fondspolice), kann meist auf ein Ablaufmanagement vertrauen: Während der Laufzeit wird aktienlastiger investiert, zum Ruhestand hin automatisch in sicherere Anlagen gewechselt, um nicht bei einem Börsencrash kurz vor Rentenbeginn Geld zu verlieren.

Ein weiterer Vorteil: der psychologische Effekt. Bei einem Fondssparplan ist das Geld jederzeit und kostenlos verfügbar. Leider wird nach meiner Erfahrung davon auch häufig Gebrauch gemacht. Hier hilft ein Vertrag, sich zu disziplinieren.

Aber die Gebühren ... !

Entscheidend ist meiner Meinung nach, was Sie dafür bekommen. Wenn eine 40-Jährige heute eine private Rentenversicherung abschließt und 84 Jahre alt wird, dann wird ihr Geld insgesamt 44 Jahre von der Versicherungsgesellschaft verwaltet. Das kann nicht kostenlos sein. Aber: Es gibt, wie in anderen Bereichen auch, leistungsstarke und weniger leistungsstarke Anbieter. Deshalb ist auch hier eine qualifizierte Beratung wichtig.

Fazit

Häufig werden diese zwei unterschiedlichen Anlageformen, die unterschiedliche Bedürfnisse bedienen, gegeneinander ausgespielt: die private Rentenversicherung und die Investition in einen Aktienfonds oder ETF. Aus beiden soll eine lebenslange Rente entspringen. Was ist besser? Ja, wenn wir das wüssten: wie alt wir tatsächlich werden, wie sich eine Anlage an den Kapitalmärkten in 25 oder 30 Jahren entwickelt …

Gerade weil wir unsere "Restlaufzeit" und die Marktentwicklungen nicht kennen, sollten wir uns nicht auf nur ein Modell verlassen. Es hat sich bewährt aufzuteilen: Der benötigte Mindestzufluss, der im Alter monatlich gebraucht wird, sollte über regelmäßige Renten abgesichert werden. Alles, was darüber hinaus verbraucht wird, kann aus einem Wertpapier/Fonds-Depot kommen.

Natürlich ist die private Rentenversicherung kein Renditeturbo. Sie ist aber in meinen Augen nach wie vor EIN wichtiger Baustein für den Ruhestand, insbesondere wenn bis dahin nicht mehr so viel Zeit ist. Weil sie steuerlich günstig, sicher, verständlich und bequem ist.

Helma Sick ist Deutschlands bekannteste Frauen-Finanzberaterin. Ihr neues Buch heißt so wie ihr Unternehmen: "Frau & Geld". Zusammen mit Co-Geschäftsführerin Renate Fritz beleuchtet sie darin alle Finanzfragen, die für Frauen in jeder Lebenslange wichtig sind. (304 S., 10,99 Euro, Diana Verlag)

12/2021 Brigitte

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