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Gleichberechtigung in der Beziehung Für wen lohnt sich welches Elterngeld-Modell?

Gleichberechtigung in der Beziehung: Eltern mit Neugeborenem
© pololia / Adobe Stock
Nicht nur in der Politik sorgt das Elterngeld für wilde Debatten. Auch zu Hause: Welches Elternzeit-Modell ist eigentlich fair? Und welches lohnt sich finanziell? Das Autorenduo Marielle und Mike Schäfer hat es ausgerechnet.

Frau Schäfer, in Ihrem Buch beschreiben Sie, wie Sie vor ein paar Jahren zweifelten, ob Sie überhaupt bereit seien für ein Kind. Denn Sie dachten, dass Sie als Mutter mindestens ein Jahr, vielleicht auch drei Jahre raus wären aus dem Job. Was glauben Sie, warum denken viele Frauen das ganz automatisch?

MARIELLE SCHÄFER: Ich glaube, viele Mütter haben nicht das Gefühl, eine Wahl zu haben. Um sie herum bleiben fast alle Frauen nach der Geburt mindestens ein Jahr zu Hause. Das ist erlerntes Verhalten – und es mangelt an Vorbildern, die es anders machen. Unter meinen Kolleginnen und im Bekanntenkreis waren auch alle erst einmal ein Jahr in Elternzeit, ehe sie in Teilzeit wiederkamen. Ihre Karriere war danach vorbei. Diese Vorstellung hat mich abgeschreckt, denn mein Job hat mir Spaß gemacht. Mike meinte dann: Es geht doch auch anders.

MIKE SCHÄFER: Für mich stand fest, dass ich viel Zeit mit meinem Kind verbringen will. Ein Modell, bei dem die Frau ein, zwei Jahre zu Hause bleibt und der Mann das Geld verdient, hätte zu meiner Vorstellung gar nicht gepasst.

Können Sie ein Beispiel nennen, wie sich die Entscheidung, wer wie viel Elternzeit nimmt, ganz konkret auf die finanzielle Situation der Mütter und Väter auswirkt?

MARIELLE SCHÄFER: Gehen wir mal von einem Szenario aus, in dem beide vor der Geburt des ersten Kindes 2000 Euro netto verdienen: Danach bezieht sie zwölf Monate Basis-Elterngeld, was 67 Prozent vom Netto, also bei ihr ungefähr 1300 Euro entspricht. Er arbeitet in dieser Zeit in Vollzeit weiter und bezieht nur zwei Monate Elterngeld. Steigt die Mutter nach dem ersten Jahr mit 20 Stunden wieder in den Job ein, während er immer noch Vollzeit arbeitet, geht die Gehaltsschere innerhalb kürzester Zeit weit auf. Vor der Geburt haben beide je 50 Prozent zum Fami-lieneinkommen beigesteuert, danach fällt der Anteil der Mutter auf ein Drittel. Und ihre finanzielle Abhängigkeit vom Mann steigt.

Nun könnte man sagen: Was sind schon ein, zwei Jahre, wenn man das ganze Berufsleben betrachtet?

MIKE SCHÄFER: Wenn ein Elternteil wirklich nur ein Jahr zu Hause bleibt, wirkt sich das auf das Lebenseinkommen tatsächlich kaum aus. Doch alle Statistiken zeigen, dass es selten dabei bleibt. Während der Elternzeit treffen Paare eine Entscheidung fürs weitere Leben. Meist verteilen sie die Rollen so, dass die Frau schwerpunktmäßig die Care-Arbeit übernimmt und über Jahre einen Teilzeitjob hat, während der Mann für die Erwerbsarbeit zuständig ist. Ist zu Hause mal mehr zu tun, reduziert in den seltensten Fällen der Vater von 40 auf 30 Stunden, sondern meist die Mutter von 20 auf 15 Stunden oder noch weniger.

Viele Paare argumentieren: Es ist finanziell einfach sinnvoller, dass er schneller wieder in den Job zurückkehrt und sie länger zu Hause bleibt, weil er mehr verdient.

MARIELLE SCHÄFER: Wir haben über einen Rechner auf unserer Website für rund 500 Paare auf Basis ihrer Gehaltsdaten durchkalkuliert, was das klassische Ernährer-Hausfrau-Modell und das Fifty-fifty-Modell für sie als Familie finanziell bedeutet. Und zwar nicht nur im ersten Jahr, sondern auch in den Jahren danach.

MIKE SCHÄFER: Und da sehen wir: Es lohnt sich, wenn beide ähnlich viel Zeit im Job und zu Hause mit den Kindern verbringen. Für 93 Prozent der Teilnehmenden ist ein gleichberechtigtes Modell lukrativer.

Wie kommt das?

MARIELLE SCHÄFER: Wenn der Vater nach der Geburt weiter in Vollzeit arbeitet und die Mutter nach einem Jahr wieder mit einem Halbtagsjob einsteigt, kommen sie zusammen auf etwa 60 Wochenstunden. Eine Alternative dazu wäre, dass beide 30 Stunden arbeiten. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass beide weiter Karriere machen und irgendwann mehr Geld verdienen können. Steigt nur einer auf, erhöht sich auch das gesamte Familieneinkommen weniger deutlich.

Aber sicher planen lässt sich damit nicht.

MARIELLE SCHÄFER: Den Partnerschaftsbonus gibt es aber in jedem Fall, wenn beide Teilzeit arbeiten. Das sind vier Monate Elterngeld on top, die beide bekommen, wenn sie im gleichen Zeitraum zwischen 24 und 32 Stunden arbeiten. Das heißt: Beide müssen dafür zwar ihre Arbeitszeit reduzieren, aber haben mehr Elterngeld und mehr Zeit als Familie zur Verfügung.

Das Elterngeld ist sehr flexibel: Es gibt das Basis-Elterngeld, das Elterngeld Plus und die Möglichkeit, zwischen beiden Modellen zu wechseln. Wie nutzt man es am besten, wenn man die Elternzeit möglichst fair untereinander aufteilen möchte?

MARIELLE SCHÄFER: Mein Vorschlag wäre, dass ein Elternteil für eine bestimmte Zeit zu Hause bleibt und Basis-Elterngeld bezieht und der andere in dieser Zeit die Stunden reduziert. Ob es sinnvoll ist, dass er oder sie in dieser Zeit auch Elterngeld Plus bezieht, hängt davon ab, wie viel man verdient und wie viele Elterngeldmonate insgesamt noch zur Verfügung stehen. Nach einer Weile sollten beide dann die Rollen tauschen.

MIKE SCHÄFER: Ich finde es wichtig, dass der Vater sich für einige Zeit allein ums Kind kümmert, während die Mutter nicht zu Hause ist. Nur so lernt man, was Care-Arbeit wirklich bedeutet.

MARIELLE SCHÄFER: Wir hatten ursprünglich vor, dass erst ich sieben Monate ganz zu Hause bleibe und dann Mike, aber ich bin froh, dass wir uns dagegen entschieden haben. Das wäre ein harter Schnitt zwischen Job und Baby gewesen. Ein paar Wochen, in denen es so was wie eine Übergabe gibt, sind schon sinnvoll. So können sich Eltern und Kind an die neuen Verantwortungsbereiche gewöhnen.

So flexibel das Elterngeld ist, es wird auch schnell kompliziert, wenn man wie Sie verschiedene Modelle kombiniert …

MARIELLE SCHÄFER: Oh ja. Die offizielle Broschüre zum Elterngeld hat mehr als 170 Seiten – wer soll sich das durchlesen, geschweige denn alles verstehen? Bei uns hat sogar die Elterngeldstelle damals nachgefragt, ob wir sicher seien, Basis-Elterngeld und Elterngeld Plus so kombinieren zu wollen. So was hätten sie noch nie erlebt. Es gibt selbst bei den Menschen, die die Anträge bearbeiten, ganz viel Unsicherheit.

Kann es sinnvoll sein, für die Elternzeit zu sparen, wenn beide Eltern für eine gewisse Zeit pausieren oder Teilzeit arbeiten möchten?

MIKE SCHÄFER: Auf jeden Fall. Wenn beim angestrebten Elterngeldmodell die Einnahmen weiterhin höher sind als die Ausgaben, ist ohnehin alles tipptopp. Aber wenn die Ausgaben in diesem Zeitraum höher sind als die Einnahmen, stellt sich die Frage: Kann das Paar das mit seinen Rücklagen kompensieren? Wenn kein Erspartes da ist, können werdende Eltern schon im Vorfeld überlegen, wo Abstriche im Alltag möglich sind, um zu sparen und ein eigenes Elternzeitkonto anzulegen.

Wie geht es finanziell fair zu, wenn die Eltern sich darauf verständigen, dass er oder sie in der ersten Zeit zu Hause bleiben möchte?

MIKE SCHÄFER: Da gibt es aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten: Entweder verständigt man sich darauf, dass man das Einkommen, das man bezieht, als Familie bezieht. Also weg von "meinem" und "deinem" Geld hin zum Familieneinkommen, von dem jeden Monat die Ausgaben getätigt werden. Was am Ende übrig bleibt, wird durch zwei geteilt und landet auf den jeweiligen individuellen Konten. Wer das nicht machen will, sollte über einen finanziellen Ausgleich für die Person nachdenken, die nicht erwerbsarbeitet. Das kann zum Beispiel eine private Altersvorsorge oder ein höherer Anteil am Eigenheim sein.

Wie kommen werdende Eltern am besten raus aus dem Autopiloten, den Sie anfangs beschrieben haben?

MARIELLE SCHÄFER: Indem sie schon vor der Schwangerschaft über ihre Rollenaufteilung sprechen. Das Argument, dass alle anderen etwas auch so machen, überzeugt mich nicht. Sinnvoller ist, wenn beide auf den Tisch legen, wie sie sich ihre Zukunft vorstellen und wie sie Familie leben wollen. Im nächsten Schritt können sie sich mögliche Szenarien durchrechnen. Das Modell, für das wir uns letztlich entschieden haben, war nicht das finanziell attraktivste, aber es funktionierte für uns als Familie am besten.

Elterngeld - was ist was?

Seit 2015 gibt es das 2007 eingeführte Elterngeld in zwei Varianten: Das Basis-Elterngeld wird maximal 14 Monate ausgezahlt und beträgt zwischen 300 und 1800 Euro pro Monat. Die Höhe hängt vor allem vom letzten Nettoeinkommen ab. Das Elterngeld Plus können sich Mütter und Väter doppelt so lange auszahlen lassen wie das Basis-Elterngeld, dafür erhalten sie nur die Hälfte der Summe, also maximal 900 Euro im Monat. Dieses Modell richtet sich vor allem an Eltern, die nebenbei in Teilzeit erwerbstätig sind und Geld verdienen. Beide Varianten lassen sich miteinander kombinieren.

In ihrem Buch "Love & Money" (384 S., 13 Euro, dtv) und unter beziehungs-investoren.de erklären Marielle und Mike Schäfer, 31 und 36, worauf man beim Thema Elternzeit achten sollte und wie Eltern das für sie passende Modell finden. Das Paar hat zwei Kinder und lebt in Hanau.

Brigitte

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