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Finanz-Tipps Hirn einschalten! Warum beim Geld oft der Verstand aussetzt

Finanz-Tipps: Hirn einschalten! Warum beim Geld oft der Verstand aussetzt
© Andrey_Popov / Shutterstock
Warum wir in Sachen Geld immer wieder in die gleichen Fallen tappen – und wie wir uns selbst überlisten können.

Frau hat es nicht leicht. Eine Verabredung zum Drink am Abend, und schon startet das Programm: Hose oder Rock? T-Shirt oder Bluse? Highheels oder coole Treter? Jacke oder Mantel? Hunderte von Möglichkeiten rauschen durch den Kopf. Einmal in der Bar sitzend, hört es nicht auf - die komplette Getränkekarte wird gecheckt: Wasser oder Wein? Bier oder Aperol Spritz? Rhabarber-Schorle, Milchkaffee?

Hans-Georg Häusel lacht vergnügt. Der Diplom-Psychologe aus München mag in solchen Momenten erleichtert sein, dass er männlichen Geschlechts ist. Denn Männer sind bei solchen Themen hormonell im Vorteil. "Testosteron macht Entscheidungsfindung einfach", sagt Häusel, der über neuropsychologische Aspekte des Geld- und Konsumverhaltens promovierte. Die Gedankenkette des Mannes ist schlicht: ein Mann – ein Bier.

Ein abgedroschenes Klischee?

Schließlich leben wir in einer modernen Gesellschaft und Frauen sind emanzipiert. Stimmt, aber gegen die Biologie sind wir bei allem Fortschritt nicht gefeit.

Hormone lenken uns, mehr als es uns manchmal lieb ist. Das Männlichkeitshormon Testosteron etwa erhöht nicht nur die Risikofreude - erfolgreiche Geschäftsfrauen haben oft einen höheren Testosteronspiegel als ihre Geschlechtsgenossinnen -, es beeinflusst auch die Entscheidungsfindung, wie aktuelle Studien belegen. Danach sorgt ein erhöhter Testosteronspiegel dafür, dass Entscheidungen spontan getroffen und nicht mehr in Zweifel gezogen werden.

"Wir gleichen noch immer zu 99 Prozent dem Urwaldaffen"

Ob richtig oder falsch, ist dann egal - in kritischen Situationen wird das Selbstvertrauen gestärkt und damit auch die Überzeugung, richtig entschieden und gehandelt zu haben. "Genetisch gleichen wir selbst nach Millionen von Jahren des aufrechten Gangs noch immer zu 99 Prozent Urwaldaffen", sagt Häusel. Die Gene geben vor, welche Hormone und Botenstoffe wir produzieren und wie sie im Körper aufgenommen werden. Die viel gepriesene Ratio hat deshalb meistens wenig zu melden. "Die meisten Entscheidungen werden unbewusst getroffen oder durch Emotionssysteme gelenkt."

Bauch schlägt Kopf

Die Ratio hat einen schweren Stand - meist trotz besseren Wissens. So haben wir Angst vorm Fliegen, obwohl die Fahrt mit dem Auto zum Flughafen statistisch gesehen weitaus gefährlicher ist als der Flug. Aber mit der Hand am Steuer fühlen wir uns sicher. Wir haben die Sache im Griff – was soll da passieren? Der Autopilot in uns verleitet zu Fehlschlüssen.

"Würden Sie in einen Flieger steigen, der zu 99,9 Prozent Sicherheit garantiert?" Ein Großteil der Befragten antwortet spontan mit Ja, weil die Zahl in anderen Kontexten Sicherheit suggeriert. Beim Fliegen aber wäre das nahezu Selbstmord: Allein in Frankfurt würden bei knapp 1300 Starts und Landungen am Tag statistisch knapp neun Flugzeuge pro Woche vom Himmel fallen. Die Fehlschlüsse ziehen sich durch nahezu alle Bereiche. Die Marken-Handtasche bei Ebay setzt Hormone frei – der Einstiegspreis suggeriert, wir könnten Schnäppchen ergattern. Wir steigern dann munter mit, der Siegeswille wird stimuliert.

Spart man mit Flatrates wirklich?

Und am Ende zahlen wir für den Sieg meist gern etwas mehr. Beim Handy-Vertrag oder im Fitness-Studio dagegen sorgen die unbegrenzten Möglichkeiten einer Flatrate für ein gutes Bauchgefühl. Doch nutzen wir sie auch?

Untersuchungen aus den USA haben ergeben: Wer z. B. im Fitness-Studio statt eines fixen Mitgliedsbeitrages nur für die tatsächlichen Besuche bezahlt, kann im Schnitt sieben US-Dollar pro Sportstunde sparen.

Bei Geld setzt der Verstand regelrecht aus. "Geld aktiviert Bereiche im Gehirn, die auch durch Nahrung, Drogen oder Sexualpartner angeregt werden", weiß Neuroökonom Bernd Weber, Professor am Center for Economics and Neuroscience (CENs) der Universität Bonn. Neuroökonomen nutzen naturwissenschaftliche Methoden, um das Entscheidungsverhalten von Menschen nachzuvollziehen. Galt das Gehirn lange Zeit als Blackbox, helfen moderne bildgebende Verfahren seit einigen Jahren, Licht in die Dunkelheit zu bringen.

Gewinne lösen Glücksgefühle aus

Weber legt seine Probanden in die Röhre und setzt sie unterschiedlichen Reizen aus. Mittels Magnetresonanztomografie (MRT) zeigt sich, welche Hirnareale bei welchen Signalen wie stark durchblutet sind, also arbeiten. "Schon die Erwartung eines Gewinns löst regelrechte Glücksgefühle aus", sagt Weber. Das Glückshormon Dopamin sorgt für ein Feuerwerk - und macht uns gierig. "Wir brauchen immer mehr, um das positive Gefühl zu erzielen", erklärt der Verhaltensökonom. "Ein betriebliches Anreizsystem über Bonuszahlungen kann deshalb auch nicht dauerhaft funktionieren", ist er überzeugt.

Blick ins Gehirn

Denn bleibt die erwartete Belohnung aus oder entstehen gar Verluste, wird das Schmerzzentrum im Hirn aktiviert - wie bei Zahnweh, sagt Psychologe Häusel. Der Schmerz ist so stark, dass ein Verlust jeden Gewinn in den Schatten stellt. Selbst ein Gewinn von 1000 Euro wird als schmerzhafte Niederlage wahrgenommen, wenn ihm neunmal 100 Euro Verlust gegenüberstehen. Daniel Kahneman, der Psychologie und Ökonomie zusammenführte und 2002 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt, hat dafür den Begriff der "Verlustaversion" geprägt.

Frauen und Männer ticken unterschiedlich

Wirklich rational ist das
alles nicht. Aber die Pro
gramme laufen - und sie unterscheiden sich bei Mann
und Frau. Frauen denken
nach jüngsten Studien nur halb so oft an Sex wie Männer. Dafür sprechen sie doppelt so viel - entsprechend sind die Hirnregionen unterschiedlich ausgeprägt.

Im MRT zeigt sich auch, dass es unterschiedliche Grunddispositionen für den Umgang mit Risiken gibt. "Frauen sind unter dem Strich weniger risikofreudig als Männer", sagt Neuroökonom Weber. Ob das ein Manko in Gelddingen ist? Ja und nein!

"Gier frisst Hirn", heißt es traditionell an der (von Männern dominierten) Börse: Wer gierig wird, riskiert Verluste. "Vor allem Männer neigen dazu, sich selbst zu überschätzen und Risiken zu unterschätzen", so Häusel. Das könnte ein Grund sein, warum vor allem Männer in die so gehypten Bitcoins investieren und den Kurs der Kryptowährung in gefährliche Höhen hieven. Frauen machen nur gut fünf Prozent der Bitcoin-Jäger aus.

Selbstüberschätzung ist Chance und Übel zugleich. Sie sorgt dafür, dass Menschen überhaupt Risiken eingehen und beispielsweise Unternehmen gründen. Auf der anderen Seite verführt sie zu Gier, und die hat am Ende oft einen hohen Preis.

Frauen unterschätzen sich und überschätzen die Risiken

Bei Frauen verhält es sich genau umgekehrt: "Sie unterschätzen sich und überschätzen die Risiken", weiß Häusel. Auch das kann in Gelddingen zur Falle werden. Denn aus Angst vor Verlusten wird das Ersparte dann gar nicht erst investiert. Zwar ist Deutschland traditionell kein Land der Aktionäre, auch Männer haben wenig investiert, weil Zinsen, Lebensversicherungen und die gesetzliche Rente in den vergangenen Jahrzehnten noch eine auskömmliche Rendite bzw. Rente brachten.

Aber die Rahmenbedingungen haben sich im Zinstief verändert - und Frauen fällt eine Anpassung doppelt schwer. Safety first, sagt der Bauch: Das Ersparte bleibt auf Spar- und Girokonten liegen, obwohl es sich dort nicht vermehrt. Im Gegenteil: Sein Wert schmilzt dahin.

Die als „riskant“ wahrgenommenen Börsen dagegen zuckeln seit 2009 munter nach oben. Mit Investments in den DAX, in dem die 30 deutschen Unternehmensschwergewichte gebündelt sind, wären seitdem aus 10.000 Euro gut 30.000 Euro geworden.

Sicher oder riskant?

Es kommt auf den Zeitraum der Betrachtung an. Bei langfristigen Geldanlagen spielt uns unsere Wahrnehmung ganz sicher einen Streich. Es ist wie beim Vergleich Autofahren vs. Fliegen: Ein Börsencrash (Flugzeugabsturz) prägt sich einfach deutlich stärker ein als viele kleine (Kaufkraft-) Verluste (Autounfälle).

Die Schaltkreise im Hirn neu zu verlegen ist schwer, weil der Wohlfühlfaktor bei Entscheidungen eine wichtige Rolle spielt. "Je komplexer eine Situation, desto eher handeln wir aus dem Bauch heraus", sagt Neuroökonom Weber.

Finanzkrise, Börse - das scheint komplex. Rund um die Uhr gibt es Informationen, die sich zum Teil sogar widersprechen. Wer Risiken vermeiden will, steckt deshalb häufig den Kopf in den Sand und macht - nichts. 29 Prozent der Frauen, so eine Studie der Postbank, kümmern sich überhaupt nicht um die eigenen Finanzen.

Die Quittung dürfte dann im Alter folgen. Im Jahr 2036 kommt voraussichtlich fast jede dritte Frau ohne staatliche Zuwendungen finanziell nicht über die Runden, so eine Prognose der Bertelsmann-Stiftung.

Das Perfide: Das Unbewusste arbeitet schneller als das Bewusstsein

Ist das schnelle Programm erst einmal ausgelöst, versucht die Ratio, es durch passende Belege zu stützen: Jeder Kursrücksetzer an der Börse wird als Bestätigung dafür abgespeichert, dass Aktien riskant sind - was eine Entscheidung für eine rentierliche Anlagestrategie zusätzlich erschwert.

Gelingt es dennoch, lauern gleich die nächsten Psychofallen: Wir kaufen mit gutem Bauchgefühl Aktien, wenn die Kurse längst gestiegen sind - denn das Laufen mit der Herde suggeriert Sicherheit. Und wir neigen dazu, nach Rücksetzern in Panik zu verkaufen.

Gegenteiliges Handeln wäre natürlich besser. Beim Einkauf im Supermarkt wissen wir das: Wir machen um überteuerte Ware einen Bogen, bei Sonderangeboten schlagen wir zu. An der Börse aber greifen andere, archaische Mechanismen. Bei einem Kurseinbruch heißt das: Nichts wie weg - es wird verkauft!

Es muss nicht immer das Optimum sein

„Wir sollten akzeptieren, dass wir biologische Wesen sind, die durch physiologische Faktoren beeinflusst oder gar eingeschränkt werden“, resümiert Hirnforscher Weber. Was also können wir tun, um bei den Finanzen dennoch zu guten Ergebnissen zu kommen? Wie es aussieht, müssen wir uns irgendwie selbst überlisten. Zum Beispiel durch „Nudges“, Schubser, wie Verhaltensökonom Richard Thaler sie nennt, der 2017 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt.

Vielen bereitet es regelrecht Schmerzen, Geld für die Altersvorsorge „wegzugeben“. Leichter wird es, indem konsequent außer der Reihe verfügbare Summen - etwa Bonuszahlungen, Weihnachtsgeld oder Gehaltserhöhungen - in die Vorsorge fließen. Um sich nicht zu überfordern, sollte man auch nicht nach der perfekten Lösung oder der alles überragenden Einzelaktie suchen: „Keep it simple“, empfiehlt Prof. Gerd Gigerenzer, Direktor des Harding-Zentrums für Risikokompetenz am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin.

Die Lösung: Einfach denken

Er rät dazu, in komplexen Situationen einfache Strategien zu nutzen, die sich mit begrenztem Wissen umsetzen lassen: Ziele setzen, Risiken streuen, auf Gebühren achten und nach festen Regeln investieren! Ob bei der Geldanlage, dem Hosenkauf oder dem Aufbrezeln für den Drink am Abend: „Die Suche nach dem Optimum ist das sicherste Rezept zum Unglücklichsein“, mahnt der Psychologe. „Glücklicher macht ein beherztes ‚Gut genug‘!“

So überlistet ihr euch selbst!

Lieber Geld auf dem Konto lassen, als es an der Börse zu investieren? Hier ein paar Tipps, die das Risiko ins rechte Licht setzen und euch das Wohlfühlen als Aktionärin erleichtern:

  1. Das Risiko des Kaufkraftverlustes durch Inflation ist abstrakt - das Geld auf dem Konto wird ja nicht weniger, sondern verliert „nur“ an Wert. Aber die Wirkung ist gewaltig. Fast 1.000 Euro kostet es, wenn ihr 10.000 Euro fünf Jahre lang ohne Verzinsung liegen lasst - bei einer Inflation von gerade einmal 2 Prozent! Malt euch einen Kuchen auf und schneidet in regelmäßigen Abständen den Kaufkraftverlust aus. Dann seht ihr, wir euer Kuchen (euer Vermögen) kleiner wird.
  2. Guckt nicht nach kurzfristigen Kursentwicklungen, sondern betrachtet die Langzeitcharts. Börsencrashs sind dann meist nur noch als kleine Dellen zu erkennen. Legt die Langzeitkurve eurer Sparanlage daneben, dann seht ihr den Unterschied!
  3. Nutzt Fonds-Sparpläne, um die Geldanlage zu automatisieren! Damit investiert ihr monatlich (oder in einem anderen Rhythmus) eine bestimmte Summe, auch wenn die Börsenkurse sinken. Das schützt nicht nur vor Panikverkäufen, es hilft auch, Kursrücksetzer positiv zu sehen. Schließlich bekommt ihr dann mehr Wertpapiere für euer Geld!
  4. Seht eine Aktie nicht als abstraktes Wertpapier, sondern tatsächlich als Teilhabe an einem Unternehmen. Stehen die Maschinen still, sind die Regale in den Läden leer, wenn die Kurse schwanken? Ganz sicher nicht!
  5. Macht euch die Wirkung vom Zinseszins bewusst! Per Zinsrechner könnt ihr unterschiedliche Szenarien durchspielen. Dann seht ihr schwarz auf weiß, was ein paar Jahre mehr oder weniger Vorsorge und unterschiedliche Verzinsung für Ihr Vermögen bedeuten!
  6. Definiert konkrete Ziele und schreibt sie auf! Könnt ihr eure Ziele mit eurer bisherigen Finanzanlage erreichen? Überlegt euch auch, was passiert, wenn ihr keine Vorsorge trefft. Möchtet ihr später wirklich euren Kindern auf der Tasche liegen?

Text: Birgit Wetjen, Redaktionsleiterin bei herMoney.de.

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BRIGITTE 4/18

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