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Finanzen für Frauen Neue Lust am Geld

Finanzen für Frauen: eine Frau in weißer Bluse sitzt nachdenklich vor einem Laptop
© Freedomz / Shutterstock
Immer mehr Frauen interessieren sich für Finanzanlagen. Gut so! Was Geld mit uns macht – und was wir damit machen: Sprechen wir darüber.

Börse rockt

Jahrzehntelang hieß es: Männer investieren, Frauen sparen. Doch heute boomen Finanzblogs und -seminare speziell für und von Frauen, Anlagetipps sind zum Small-Talk-Thema geworden. Woher kommt die neue Lust am Geld?

Rafaella und Nicole brauchen nur noch ein paar Praxistipps, dann wollen sie loslegen: "Wo kaufe ich denn am besten Einzelaktien, also bei welchem Broker?", fragt Rafaella. "Und sollte ich sie wirklich viele Jahre halten oder lieber bei 50 Prozent Kursgewinn aussteigen?", will Nicole wissen. Die beiden haben sich an diesem Abend zusammen mit ein paar Dutzend anderen Frauen in ein Online-Finanzseminar eingewählt, um über Aktienkurse zu reden. Trocken finden Rafaella und Nicole das Thema ganz und gar nicht. "Börse rockt", sagen sie.

Und das finden immer mehr Frauen. Finanz-Bloggerinnen wie Margarethe Honisch (Fortunalista), Claudia Müller (Female Finance Forum) oder die ehemalige Fondsmanagerin Anne Connelly (Hermoney) richten sich vor allem an ein weibliches Publikum und haben mittlerweile eine fünfstellige Zahl an Nutzerinnen hinter sich geschart. Natascha Wegelin (Madame Moneypenny), die wohl bekannteste deutsche Finanzbloggerin, kommt auf mehr als 150 000 Anhängerinnen. Ob Youtube oder Instagram, Podcast oder Webinar, überall erzählen Frauen ihre ganz persönlichen Finanzgeschichten – und geben Tipps, wie jede selber anlegen kann.

Spätestens wenn das magische Kürzel fällt, hören alle hin: bei ETFs nämlich. Werden Exchange Traded Funds besprochen, sind die Anlegerkurse für Frauen bei der Deutschen Börse ausgebucht. Denn die Indexfonds, die die Wertentwicklung bekannter Indizes eins zu eins abbilden und mit denen man oft schon ab 25 Euro monatlich einen Sparplan bestücken kann, sind praktisch und günstig und vermehren auch wenig Geld über die Jahre sehr ordentlich – wenn man sie lange genug hält. Auch die Münchner Finanzberaterin Renate Fritz von Frau & Geld staunt: "ETFs haben alle, egal ob es Berufseinsteigerinnen sind oder 70-Jährige. Oft sind es Alibi-Investitionen, also kleine Summen von 1000 oder 3000 Euro, natürlich auf den MSCI World", das ist der globale Aktienindex, der rund 1600 Unternehmen weltweit umfasst.

Immer mehr Frauen sind Aktionärinnen

Knapp fünf Millionen Frauen in Deutschland sind Aktionärinnen, allein 2020 wagten sich rund 650 000 Frauen neu an die Börse – ausgerechnet in dem Jahr also, als die Börsen wegen Corona crashten. Vielleicht aber auch gerade deswegen: Früher bestärkten solche Crashs "den alten Glauben: Aktien sind Teufelszeug", so nennt es Finanz- und Strategieberaterin Stefanie van Dawen. Dass sich die Kurse diesmal in Rekordzeit wieder erholten, machte vielen Mut.

Dazu kommt aber vor allem, dass Negativzinsen und Inflationssangst viele Sparerinnen dazu gebracht haben, ungenutzte Schätze auf Tages- und Festgeldkonten zu heben und es nun doch mal mit Aktien versuchen.

Auf Tage wie diese hat Finanzberaterin Helma Sick im Grunde lange gewartet. Über 30 Jahre ist die Gründerin von Frau & Geld schon im Geschäft: "Früher war es schwer, Frauen zu ermutigen, mit kleinen Beträgen einen Sparplan zu beginnen. Heute müssen wir sie oft bremsen, nicht zu viel Geld dafür einzuplanen. Damit sie sich nicht übernehmen. Und den Sparplan dann schon nach kurzer Zeit wieder stoppen."

Trotz dieser Entwicklung ist bei der Liebe der Frauen zu Aktien immer noch viel Luft nach oben, denn als Anlegerinnen sind sie immer noch unterrepräsentiert. Vorwiegend männliche Vertreter der Finanzbranche beten seit Jahren immer wieder vor, dass Frauen sich zu selten mit Gelddingen beschäftigen wollten und daher auch viel zu wenig über Finanzen wüssten. Überdies seien sie risikoscheuer. Aber stimmt das?

Mangelndes Selbstbewusstsein?

Die Kapitalmarktforscherin Prof. Dr. Alexandra Niessen-Ruenzi von der Universität Mannheim beschäftigt sich wissenschaftlich mit solchen Fragen und stellt fest: Tatsächlich informieren sich Frauen immer noch weniger über Finanzthemen. Oft aber mangele es ihnen auch nur am Selbstbewusstsein – und gerade das bestimmt laut Studien darüber, ob Frauen am Finanzmarkt tätig werden. "Bei Männern machen Aktien rund 21 Prozent des Portfoliovermögens aus, bei Frauen sind es nur neun Prozent", sagt Niessen-Ruenzi. Das müsse sich ändern. "Denn blenden sie in der derzeitigen Niedrigzinsphase den Aktienmarkt komplett aus, haben sie natürlich einen systematischen Nachteil beim Vermögensaufbau für die Rente." Und der kommt später teuer zu stehen.

"Die junge Generation ist selbstbewusster aufgewachsen, aber wenn es zu schwerwiegenden Finanzentscheidungen kommt, hört das oft auf“, beobachtet auch Strategieberaterin Stefanie van Dawen: "Dann wird die Immobilie doch im Namen des Mannes gekauft und das Anlagekonto läuft auch auf ihn. Das ist oft keine böse Absicht, sondern geschieht einfach aus einem emotionalen Wir-Gefühl."

Wenn Frauen allerdings Geld investieren, sind sie damit mindestens ebenso so erfolgreich wie Männer. Vielleicht sogar erfolgreicher, sagt Alexandra Niessen-Ruenzi. Denn die Trading-Apps, die es so einfach machen, Aktien schnell zu kaufen und wieder zu verkaufen, nutzen vor allem Männer oft zu ihrem Nachteil: "Männer handeln wesentlich häufiger als Frauen. Das kostet Männer im Jahr 2,7 Prozentpunkte ihrer Rendite. Weil die Transaktionskosten sehr viel höher sind als die Rendite, die sie glauben erzielen zu können." Dagegen beweisen Frauen eine ruhigere Hand, vermutlich, weil sie von klein auf so geprägt werden, glaubt Niessen-Ruenzi: "Männer sind wettbewerbsfreudiger und Ehrgeiz ist bei ihnen positiv belegt, während er bei Frauen eher sanktioniert wird. Daraus entsteht ein viel größeres Selbstbewusstsein bei Männern." Und auch wenn ein großes Selbstbewusstsein erst mal gut klingt, bedeutet es in puncto Geld meist eher Selbstüberschätzung: "Männer unterliegen viel stärker der Illusion, den Markt schlagen zu können. Und denken häufiger, das ist ein Geheimtipp, den sonst keiner hat." Frauen dagegen überlegen zwar länger, bevor sie sich für ein Investment entscheiden. "Aber wenn sie sich durchgerungen haben", so erlebt es auch die Finanzberaterin Claudia Rankers, "dann bleiben sie auch viel eher dabei – langfristig." Und nichts ist Erfolg versprechender als Durchhaltevermögen, auch dann, wenn es gerade mal nicht gut läuft – an der Börse wie im Leben. 

Brigitte

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