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Finanz-Apps Was, wenn das Geld nicht reicht?

Finanz-Apps: eine Frau in weißer Bluse sitzt an einem Tisch mit einem Handy in der Hand
© SFIO CRACHO / Adobe Stock
Geldsorgen machen krank. Aber viele Menschen schaffen es nicht, gut über die Runden zu kommen, und landen oft sogar in den Miesen. Tipps für finanzielle Gesundheit gibt es jetzt per App.

Das Treppenhaus duftet nach Kaffee. Susanne Krehl, 35, öffnet die Tür zu ihrer Wohnung in Berlin Friedrichshain. "Ja, guten Kaffee gönne ich mir", sagt sie und lacht. "Obwohl meine Eltern gar nicht verstehen, warum ich dafür so viel Geld ausgebe." Sie geht vor in die Küche. Und wir sind schon beim Thema.

Susanne Krehl, 35, ist die Erfinderin von Fabit – kurz für financial habits, finanzielle Gewohnheiten. Die Finanz-App soll den Umgang mit Geld erleichtern, vor allem denjenigen, die gerade in den Miesen sind. Nutzer:innen können ihre Fixkosten, Rechnungen und Schulden hochladen und sortieren, sich einen Überblick über ihre Finanzen verschaffen und ein Budget planen, um ihre Schulden abzuzahlen. Oder eben gar nicht erst hineinzurutschen. Dazu gibt Fabit Spartipps, ermöglicht den Austausch mit anderen Nutzer:innen und beantwortet Fragen, die man vielleicht ungern laut stellt: Was bedeutet ein Brief vom Inkasso-Unternehmen? Wann melde ich eine Privatinsolvenz an?

"Wir wollen Menschen befähigen, Gewohnheiten zu entwickeln, die zu finanzieller Gesundheit führen", sagt Krehl: "Am Monatsende im Plus zu sein und alle Rechnungen bezahlt zu haben." Gerade jetzt sei das für viele schwierig. "Die steigenden Energiekosten sind für Menschen mit geringem Einkommen, Hartz-IV-Empfänger:innen, Alleinerziehende, aber auch Familien ein Problem." Oft sparen sie dafür bei Lebensmitteln oder Freizeitaktivitäten.

Die Start-up-Chefin setzt sich an ihren Holztisch. Fabit hat ein Büro in Schöneberg, aber seit Corona betreibt das siebenköpfige Team hauptsächlich Homeoffice. In der Finanzbranche ist Susanne Krehl eher zufällig gelandet. Sie studierte Englisch und Französisch, machte ihren Master in Europastudien, arbeitete in PR-Agenturen, danach beim Finanztechnologie-Unternehmen Viafintech, das eine Software entwickelt hat, mit der wir alle an der Supermarktkasse Geld abheben können. Nach acht Jahren Karriereleiter stieg sie erst mal aus. Weltreise, 20 Länder in 15 Monaten. Sie segelte von Fidji nach Neuseeland, erkundete Kirgisien, Zimbabwe und den Oman. "Das war ein Traum von mir, den ich mir im Wortsinn verdient hatte – jeden Cent."

Die Idee aus Down Under

Die Idee zu Fabit brachte sie aus Australien mit, wo es eine ähnliche Finanz-App bereits seit zehn Jahren gibt. Sie holte den Juristen und gelernten Bankkaufmann Ralph-Michael Schmidt und den Informatiker Robert Heim ins Team. "Und dann haben wir uns Vorbilder aus anderen Lebensbereichen gesucht wie 'Weight Watchers', 'Noom' und 'Freeletics'. Apps, bei denen es um die eigene Persönlichkeit und das Verhalten geht. Genau wie beim Abnehmen oder wenn man aufhört zu rauchen, muss man bei Schulden ja vor allem seine Gewohnheiten ändern", erklärt Susanne Krehl.

Erster Schritt, wenn man schon Schulden hat: "Schulden- und Gläubigerlisten anlegen, um überhaupt einmal das große Ganze zu sehen. Wie viel schulde ich eigentlich, wo fallen Zinsen an, wo kann man Stundung vereinbaren? Sich der eigenen Finanzlage zu stellen ist oft auch die größte Hürde." Aufzugeben sei das Schlimmste, was man bei Schulden tun könne. Das gelte auch in der aktuellen Situation. Ihr Rat: "Energieschulden gehören wie Mietschulden zu den existenzbedrohenden Schulden. Sie sollten immer zuerst beglichen werden. Leider neigen viele Menschen dazu, die Gläubiger, die sich am intensivsten melden, zuerst zu bedienen. Richtig wäre, sich zuerst um die wirklich existenzbedrohenden Schulden zu kümmern und so die eigene Lebenssituation zu sichern."

Der nächste Schritt klingt schon sehr viel einfacher: "Ein Haushaltsbuch ist tatsächlich immer der beste Tipp für jeden, der Schulden hat oder sie vermeiden will. Oder wissen Sie genau, was Ihr tägliches Budget ist, mit dem Sie nicht in die roten Zahlen kommen?"

Etwa zehn Prozent der erwachsenen Deutschen sind überschuldet. "Durch alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen verteilt", sagt Susanne Krehl. Das Verhältnis von Männern zu Frauen liegt bei 60:40. Bei den Frauen sind Alleinerziehende am meisten betroffen. Bei jungen Menschen zwischen 20 und 40 entstünden finanzielle Probleme häufig durch Selbstüberschätzung. Finanzwissen, so Krehl, sei ja meist Erfahrungswissen. Wer zum ersten Mal eine eigene Wohnung, Job und Konto managt, rutscht leicht in eine "unwirtschaftliche Haushaltsführung" ab. "Ich selbst bin auch mit einem ganzen Haufen BAföG-Schulden aus dem Studium gekommen", sagt die Gründerin. "Damals waren rote Zahlen ein Tabuthema. Mittlerweile ist die Motivation, die Karten auf den Tisch zu legen und sich Hilfe zu holen, häufiger vorhanden, als man denkt."

Zwei Wege

Bisher gebe es allerdings nur zwei klassische Wege, mit Schulden umzugehen. Der eine, einen Kredit aufzunehmen. Aber je schlechter die eigene Bonität, desto höher die Zinsen dafür – also nur eine sehr kurzfristige Lösung, die langfristig oft weiter in die Schulden führt. Der zweite Weg: karitative Schuldnerberatungen, etwa bei Caritas, Diakonischem Werk oder Arbeiterwohlfahrt, die einen tollen Job machten, aber oft monatelange Wartezeiten haben und zudem nicht die Ressourcen, jemanden dauerhaft aus seinen Schulden zu begleiten. "Eine App zu nutzen ist da ein dritter Weg und gerade attraktiv, weil man ihn anonym im eigenen Wohnzimmer gehen kann. Die Hürde des Anrufs fällt weg und die Scham, durch die Tür der Schuldnerberatung zu treten", erklärt Susanne Krehl. Und die Nutzerinnen könnten in jedem Detail in ihrer individuellen Lebenssituation abgeholt werden.

Monika Wacht, 34, hat bei der Entwicklung der App mitgewirkt. Bis vor Kurzem war die alleinerziehende Büroleiterin selbst in finanziellen Schwierigkeiten. Kurz nach Geburt ihres ersten Kindes erbte sie 5000 Euro Miese. Der Schuldnerberatung sei der Betrag zu gering gewesen, um zu helfen, erzählt sie. Sie solle sich keine Sorgen machen. Tat sie aber und begann, die unverschuldeten Schulden allein abzuarbeiten: Nach dem Abzug der monatlichen Fixkosten holte sie ihr Geld vom Konto und teilte es in Häufchen für jede Woche ein. Sie schaffte ein Haushaltsbuch an, ließ den Coffee to go weg, kaufte ihre Garderobe secondhand. Nach zwei Jahren war ihr Konto wieder im Plus. Die Planungszeit von Fabit war die Endphase ihrer eigenen Schulden.

"Die meisten Menschen, die es aus ihren Schulden herausschaffen, haben jemanden in ihrem Leben, der ihnen dabei hilft. Auch dabei, mit dem Stress der Verschuldung umzugehen", sagt Susanne Krehl. "Denn je mehr ich im Stress bin, desto mehr habe ich das Gefühl: Ich muss mir mal etwas gönnen. Und desto mehr gerate ich in Schulden. Diesen Teufelskreis muss man in den Griff bekommen. Allein ist das schwer." Fabit vermittelt deshalb auch "Finanz-Buddys", sodass Nutzer:innen sich gegenseitig unterstützen können.

Eine Lücke in der Bildung

25 Prozent der Deutschen geben an, über Haushaltsführung und Budgetplanung nicht genug zu wissen. 83 Prozent lernen alles, was sie über Geld wissen, von ihren Eltern. Aber dieses Wissen ändere sich gerade dramatisch, sagt Susanne Krehl: "Meine Eltern hatten noch Sparbücher mit sieben Prozent Zinsen. Das ist heute komplett irrelevant. Für sie reicht die Rente noch. Das wird bei mir ganz anders aussehen." Auch Leute mit Abitur verstünden nicht, was auf einer Gehaltsabrechnung steht oder wie eine Steuererklärung funktioniert. Die Finanzbranche setze erst da an, wo es um Anlagemöglichkeiten wie ETFs gehe. "Es gibt eine große Lücke in unserer finanziellen Bildung zwischen Schule und Elternhaus einerseits und dem, was die Finanzbranche anbietet, andererseits."

Dr. Sally Peters ist geschäftsführende Direktorin am Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen (iff), das jedes Jahr einen Überschuldungsreport herausbringt. Sie hat selbst mehrere Jahre in der Schuldenberatung gearbeitet. Mit dem Begriff der "finanziellen Bildung" geht sie vorsichtig um, es gebe momentan einen Hype darum nach dem Motto: Wenn ich verschuldet bin, habe ich nicht genug gelesen. "Bildung schützt nicht vor den Hauptursachen von Schulden, nämlich Arbeitslosigkeit, Krankheit, Scheidung oder Tod des Partners", sagt sie. "Dagegen hilft nur zu sparen und sich ein finanzielles Polster zuzulegen." Peters hat sich Fabit mit ihrem Finanzwissen angesehen, bevor die App online ging: "Ich war überrascht, dass es so was vorher noch nicht gab", sagt sie. "Es ist ja alles gut und wichtig, was die Auseinandersetzung mit den eigenen Finanzen fördert."

Und da hat sich etwas verändert, beweisen Studien ihres Forschungsinstituts. "Vor Corona war die Einstellung: selbst schuld, zu viel eingekauft, Leben nicht im Griff. Jetzt wird deutlich, wie schnell man unverschuldet in Schulden gerät. Darüber wird jetzt offen gesprochen. Und das ist gut so, denn aus Schulden entstehen Familien- und Gesundheitsprobleme, die alle Lebensbereiche überschatten."

Dem vorzubauen ist Susanne Krehls Langzeitprojekt. Die Basisversion der App ist kostenlos. Eine Premiumversion mit zusätzlichen Leistungen wie der Digitalisierung und Auswertung von Schriftverkehr ist in Arbeit und wird fünf Euro monatlich kosten. "Wir wollen für unsere Nutzerinnen eine finanzielle Heimat werden", sagt Krehl, "und ihr finanzielles Leben rundum begleiten, auch wenn sie ihre Schulden hinter sich gelassen haben."

3 Spartipps aus der Fabit-App

Ein Umschlag pro Woche

Ein Monat ist lang. Da ist es nicht immer einfach, am Ende noch Geld zu haben. Die Lösung: Heben Sie Ihr gesamtes Monatsbudget ab, teilen Sie den Betrag durch vier und machen Sie vier Umschläge mit den Wochenbudgets – also genau der Menge Geld, die Sie in jeder Woche ausgeben können.

Die Kontoauszugsampel

Erkennen Sie Ihr Ausgabeverhalten, indem Sie Ihre Kontoauszüge regelmäßig nach dem Ampelprinzip durchsehen. Nehmen Sie drei Textmarker und markieren Sie Ihre Ausgaben in "Muss" (grün), "O.k." (gelb) und "Hätte nicht sein müssen" (rot).

Verträge prüfen

Haben Sie einen Überblick, welche Verträge und Abos Sie zahlen – und auch wirklich nutzen? Machen Sie diese Woche eine Liste aller Verträge und Abos und kündigen Sie jeden Tag einen, den Sie nicht brauchen.

Noch mehr Geld-Know-how

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Brigitte

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