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Karl Lagerfeld - Klotzen statt Kleckern

Auch mit 75 denkt das Jahrhundertgenie Karl Lagerfeld gar nicht daran, sich aus der Welt der Mode zurückziehen. Im Gegenteil - seine Schaffenskraft scheint proportional zu seinen Lebensjahren zuzunehmen. Wir werfen einen erstaunten Blick auf das bisherige Lebenswerk des kreativen Großmeisters Karl.
Stilecht mit Sonnenbrille, Mozartzopf und "silbernem Handschmuck".
Stilecht mit Sonnenbrille, Mozartzopf und "silbernem Handschmuck".
© Getty Images

Er trinkt keinen Alkohol, raucht nicht, nimmt keine Drogen. Er hasst Telefone und versendet auch keine Emails oder SMS. Stattdessen verschickt er lieber handgeschriebene Briefe oder Faxe. Dafür kann er von iPods nicht genug kriegen - nach eigener Aussage besitzt er über vierzig verschiedene MP3-Player. Andere baden ihre Hände in Unschuld, Karl taucht sie lieber in Luxus und bestückt seine zehn schmalen Finger mit mindestens doppelt so vielen klobigen, mit Totenköpfen oder Diamanten besetzten Ringen. Mit dem weißgepudertem Mozartzopf, der schwarzen Sonnenbrille, dem Fächer und den ultra-schmalen Anzügen hat er sich selbst zur Marke stilisiert und das geschafft, wovon die meisten Kreativen träumen und letztlich doch nicht erreichen: Authentizität zu versprühen - und zu wahren. Ob man ihn nun mag, oder einfach nur skurril findet - Karl Lagerfeld steht jedenfalls zu seiner Eitelkeit. „Sie ist ein Teil des Selbsterhaltungstriebs“, bekennt er. Er ist ein authentischer Exztrentriker, dem man abkauft, was er darstellt und vor allem was er herstellt. Lagerfeld hat was zu sagen und noch viel mehr zu entwerfen, weil er von einer Schaffenskraft durchdrungen ist, die locker für drei andere Menschenleben ausreichen würde. Unter der gepuderten Mozartfrisur des Autodidakten verbirgt sich ein helles Köpfchen, das niemals ruht. Karl Lagerfeld ist ein Tausendsassa - er ist Modeschöpfer, Designer, Illustrator, Fotograf und Kostümbildner, nebenbei kreiert er Parfums und richtet Boutiquen ein. Kein Wunder, dass die Stil-Ikone als Jahrhundertgenie gilt.

"Man muss Stil haben, um ihn sich kaufen zu können."

Modegrößen unter sich: Karl Lagerfeld und Vogue-Chefin Anna Wintour in New York.
Modegrößen unter sich: Karl Lagerfeld und Vogue-Chefin Anna Wintour in New York.
© Getty Images

Vor 70 Jahren, am 10. September 1938, wird Karl Lagerfeld als Sohn eines Hamburger Kaufmanns geboren. Gerüchten zufolge wird er heute allerdings schon 75, weil er aus dem Geburtsjahr 1933 eine 38 gemacht haben soll. Als er 14 Jahre alt ist, lässt sich seine Mutter gemeinsam mit ihm in Paris nieder. Nach der Schule absolviert er eine Schneiderlehre bei dem französischen Designer Pierre Balmain und gewinnt 1955 gleichzeitig mit Yves Saint Laurent, der später einer seiner ärgsten Konkurrenten werden sollte, den Wettbewerb des Internationalen Wollsekretariats. Der von Lagerfeld entworfene Wollmantel legte den Grundstein zu seiner späteren Weltkarriere. Seitdem, so scheint es, gab es keinen unproduktiven Augenblick im Leben des Couturiers. Im Anschluss an seine Lehre bei Balmain arbeitet er als künstlerischer Direktor bei Jean Patou. 1964 verlässt er das Modegeschäft kurzfristig und beginnt ein Kunststudium, kehrt aber nach drei Jahren wieder in Welt der mode zurück. Seine Arbeit für das Haus Chloé - vor allem seine Deco-Kollektion von 1972, die aus schwarz-weissen Drucken und aufwendigen, schrägen Schnitten besteht, verschafft ihm weltweite Anerkennung. Nebenbei schafft er erste Kreationen für Fendi und das renommierte Modehaus Chanel. 1974 gründet er mit "Karl Lagerfeld Impression" sein erstes eigenes Unternehmen und arbeitet von da an frei für diverse große Modehäuser. 1984 folgen erste Prêt-à-Porter-Kollektionen für Chanel und die Eröffnung des eigenen Modehauses an der Pariser Champs-Elysées. Im selben Jahr wird er zum Chef-Designer des Traditionshauses Chanel ernannt. 1987 präsentiert er seine erste Kollektion unter dem Label "KL". Es folgen "Lagerfeld Gallery" und die beiden jüngeren Labels "Karl Lagerfeld" für Damen und "KL Lagerfeld" für Herren. Als wäre das nicht schon Output genug, entwirft "Karl der Kreative" auch noch Kostüme für Filme und Opern und fängt an, sein vielseitiges Talent als Mode- und Werbefotograf unter Beweis zu stellen.

Der Modezar vor seiner Radikaldiät mit einer strahlend schönen Claudia Schiffer.
Der Modezar vor seiner Radikaldiät mit einer strahlend schönen Claudia Schiffer.
© Getty Images
Der Designer - deutlich erschlankt neben seiner Muse.
Der Designer - deutlich erschlankt neben seiner Muse.
© Getty Images

Ende der Achtziger entdeckt er Claudia Schiffer für sich und erklärt das junge deutsche Model zu seiner Muse. Er stellt Claudia bei Chanel als Hausmannequin ein und leitet damit quasi die Ära Supermodels ein. Der Designer und das erfolgreiche Ausnahme-Model arbeiten auch heute noch zusammen (im vergangenen Jahr fotografierte er sie für die Dom-Pérignon-Kampagne und für den Katalog seiner Cruise-Collection). Am meisten Aufsehen erregt "König Karl" allerdings im Jahr 2000, als das ehemalige Moppelchen nach einer Radikal-Diät (nach den Vorgaben des Arztes Jean-Claude Houdret) plötzlich gertenschlank und um 40 Kilo erleichtert daher kommt. Fortan macht er den mageren Models Konkurrenz und präsentiert sich in hautengen Designer-Anzügen von Hedi Slimane (neuerdings auch in den japanischen Newcomer-Labels "Undercover" und "Mastermind"). Im November 2004 sorgt seine Zusammenarbeit mit der schwedischen Textilkette Hennes & Mauritz (H&M) für Furore. Die Symbiose von Discount-Mode und Couturier bezeichnet er selbst als "invertierten Elitismus". Die ungewöhnliche Kooperation stellt einen Tabubruch dar und wird zunächst sehr skeptisch aufgenommen, verkauft sich allerdings rasend gut. Stella McCartney, Viktor & Rolf und Roberto Cavalli folgen seinem Beispiel. Und weil sich unsere Welt um Mode dreht, ließ er zu Jahresbeginn eine übergroße Chanel-Jacke aus Beton als Kulisse für seine Haute-Couture-Show gießen. Für die Herbst-Winter-Kollektion ließ er ein riesiges Karussell im Pariser Grand Palais errichten. Auf dem Karussell drehten sich überdimensionierte Chanel-Markenzeichen wie die Schleife, die Stepptasche, Perlen, die Kamelie und der No-5-Flakon. Wenn das kein konsequentes Klotzen ist.

"Mode ist der kürzeste Reflektor des Zeitgeistes, und der ist ein verdammt launischer Geselle."

Chanel-Karusell
Chanel-Karusell
© Martin Veit

So spektakulär seine Mode und die dazugehörigen Schauen sind, so wenig ist über Lagerfelds Privatleben bekannt. Über 20 Jahre lang lebte er mit dem Pariser Lebenskünstler Jacques de Bascher zusammen, der 1989 an den Folgen von Aids verstarb. Kürzlich zog der Designer in ein altes, komplett umgestaltetes Pariser Stadthaus. Darin stehen nur Möbel aus dem 21. Jahrhundert - von Zaha Hadid bis Marc Newson. Ganz Weltenbürger pendelt Karl Lagerfeld abwechselnd zwischen Paris, Monaco und New York hin- und her. Lagerfeld, der sich lieber auf Mode für Frauen beschränkt, weil er bei Männermode automatisch an sich denken müsste, hat es geschafft, die Philosophie der legendären Madame Coco Chanel, unbeschadet ins 21. Jahrhundert zu transportieren. Dank überraschender Silhouetten und cleverer Stoffvariationen schafft er es, das klassische Kostüm immer wieder neu zu erfinden. Treffender als er kann man seinen Stil gar nicht auf den Punkt bringen: Er bezeichnet seine Kreationen als "intellektuelle Erotik". Und dass Karl Lagerfeld immer wieder für Überraschungen gut ist, beweist sein jüngster Coup: Für den Stofftier-Hersteller Steiff hat er einen Teddybären entworfen - stilecht mit Sonnenbrille, weißem Hemd und schwarzer Krawatte. Der kleine Karl ist für 1000 Euro in limitierter Auflage erhältlich. Der Große hingegen bleibt ein Unikat.

Seine wichtigsten Auszeichnungen

  • 1955 erfolgt der Karrierestart: Mit einem Wollmantel gewinnt er in einem Wettbewerb des Internationalen Wollsekretariats IWS.
  • 1989 wird er mit dem Bambi augezeichnet.
  • 1993 wird ihm der Lucky Strike Designer Award der Raymond-Loewy-Stiftung verliehen.
  • 1996 erhält er den Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Photographie.
  • 2003 wird er von Michail Gorbatschow mit dem "World Fashion Award" ausgezeichnet.
  • 2005 erhält er in der Kategorie "Kreativität" zum zweiten Mal den Bambi.
  • 2008 wird ihm der Elle Fashion Star Award verliehen.Auf der nächsten Seite: Große Fotoshow - Karl Lagerfeld und seine aktuellen Kollektionen
Text: Lesley Sevriens

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