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Von der Friseurin zum Pornostar

Ein Faible für Männer hat sie schon immer gehabt. Mit 30 Jahren schreibt die gelernte Friseurin Isabel Golden ihr ausschweifendes Sexualleben in einem Tagebuch nieder. Das Manuskript wird verfilmt und Golden zum Pornostar. Zwölf Jahre später hat sie 60 Filme abgedreht, derzeit arbeitet sie als Visagistin an den Porno-Produktionen ihres Ehemanns mit.

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Ihr erster Mann hieß Oliver. Sie war gerade 18, beim Urlaub auf Gran Canaria führte er sie ein in die Welt der sexuellen Höhepunkte. Der zweite nannte sich Antonio, war Italiener und nebenbei ihr Vorgesetzter im Friseursalon. Sie liebten sich inmitten von Haarsprays, Kämmen und Fönhauben. Dann folgten Peter, Rainer und Franky.

Manuela und Marion ließen ihre Leidenschaft für Frauen erwachen. Da war Isabel Golden noch von Beruf Friseurin, die privat "große Lust auf Sex" hatte, wie sie heute sagt. Berühmt wäre sie so nicht geworden. Dafür hat erst Klaus gesorgt. Er hat sie ermuntert, ihre sexuellen Erlebnisse aufzuschreiben. "Die erotischen Tagebücher einer 30-Jährigen" wurden Isabel Goldens Durchbruch. Kurze Zeit später war sie ein Pornostar.

Isabel Golden, 42, hat seitdem in Filmen mitgespielt, die "Exzesse in Paris" heißen oder "Geschwollene Lippen". Die zierliche Frau heißt eigentlich Annette Goldberg. Sie sitzt in ihrem Wohnzimmer auf dem altrosafarbenen Sofa, sie trägt ein dünnes weißes Gewand, ihr Gesicht ist makellos geschminkt. Um ihre Beine streicht der diabeteskranke Kater Jay-Jay, im Vorgarten hoppeln zwei Kaninchen.

"Nach den Kaninchen ist sie ganz verrückt", sagt Klaus Goldberg, ihr Ehemann. Die Kaninchen gehören seit einem Jahr zur Familie, Kinder gibt es keine. Ein befreundeter Produzent hat Isabel die Tiere geschenkt, nach dem Pornodreh auf einem Bauernhof. "Da konnt' ich auch nicht nein sagen", sagt Goldberg und seufzt theatralisch. Er trägt Lederjacke und Goldkettchen, sein schütteres Haar schimmert rötlich, und wenn die beiden nebeneinander auf dem Sofa sitzen, sehen sie ein bisschen so aus wie Tarzan und Jane. Durch das Zimmer wabert der süßliche Duft von Erdbeerduftkerzen.

Beim Sex sollen beide Spaß haben - auch vor der Kamera

Klaus Goldberg ist von Beruf Produzent, genauer gesagt: Pornofilm-Produzent. Er arbeitet für eine Firma, die sich "Magmafilm GmbH" nennt, und erklärt bereitwillig, dass die schwierigen Szenen - eine Frau, mehrere Männer - eher am frühen Morgen abgedreht werden, "abends höchstens noch ne Lesbo, dann is' aber auch gut". Goldberg erzählt auch, dass er Darstellerinnen schätzt, die sich nach ihrem Einsatz in eine Ecke verkrümeln und ein Buch lesen, "ohne rumzunerven". Und dass er versucht, deutsche "Endkonsumenten" zu erziehen: Beim Sex sollen beide Spaß haben, lautet sein Credo. Das will er auch seinen Zuschauern nahe bringen. Er drehe keine Szenen ab, in denen die Frauen "vor Schmerzen Tränen in den Augen haben". Seine Frau nickt. "Sonst gehen die nachher zu ihren eigenen Frauen und sagen: ,Komm, lass uns das auch mal so machen'."

Isabel und er waren schon verheiratet, als er sie überredete, ihr Sexualleben als Tagebuch niederzuschreiben. Das Manuskript schickte er zu den einschlägigen Buchverlagen in Deutschland. Es kam jedes Mal zurück, zusammen mit einem Absage-Schreiben. "Zu pornografisch", befanden die Verleger. "Aber gelesen haben sie alle", sagt Goldberg und es klingt trotzig.

Er hat das Manuskript dann an das "Happy Weekend" verkauft; dort inserieren vor allem Paare, die sich zum Sex mit anderen Paaren treffen wollen. Isabels Intimleben hübschte das Blättchen vier Jahre lang auf. Auch ein Fotograf wurde aufmerksam, und irgendwann klopfte ein Produzent an. Sie willigte ein, die Bücher mit ihr in der Hauptrolle zu verfilmen. So wurde Annette Goldberg zur Pornodarstellerin.

Das Ergebnis ihres ersten Films fand sie allerdings enttäuschend: "Es war ein Porno wie jeder andere." Gern hätte sie ihr Leben auf der Leinwand vorbeiziehen sehen, die schönsten Momente festgehalten für die Ewigkeit. Zum Beispiel als sie und Klaus in den Flitterwochen auf Mallorca waren und Tina kennen lernten. Mit Tina hatten sie mehrere Dreier am Strand, natürlich mit untergehender Sonne im Hintergrund. Dann kam Jens dazu, der Tennistrainer mit dem "großen Instrument". Den Rest der Flitterwochen verbrachten sie zu viert.

"Spermasüchtig durch Berlin" hat ihr am meisten Spaß gemacht

Für den Regisseur aber waren die Tagebücher nur eine Aneinanderreihung sexueller Erlebnisse. Keine Spur mehr von Isabel Goldens Einzigartigkeit. Isabels Stimme wird leise: "Da hatte ich keine Lust mehr." Goldberg fällt seiner Gattin ins Wort und erklärt, dass die Frauen aus Isabels Generation beim Dreh auf ihre Kosten kommen wollen. "Die spielen nur noch Szenen, wo sie wirklich Spaß dran haben." Merkt er denn, wenn seine Frau ihm einen Orgasmus vorspielt? Goldberg lacht dröhnend, Isabel sagt mit ernstem Gesicht: "Ich hab' noch nie einen Orgasmus vorgespielt, ich weiß gar nicht, wie das geht."

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Die 60 Porno-Filme, in denen Isabel Golden mitgespielt hat, sind nicht ohne Wirkung geblieben. Auf dem Regal hinter dem rosa Sofa stehen zwei kleine Skulpturen von nackten Frauen, eine etwas größer als die andere. Die kleine ist aus Gold. Das ist Trophäe für die "erotischste Frau Deutschlands 2002". Die Skulptur aus Bronze ist ein europäischer Award. Welcher, weiß Isabel nicht mehr so genau. Preise sind ihr nicht so wichtig.

Ihrem Mann hingegen schon. Wenn man ihn fragt, ob er stolz sei auf seine Frau, den Pornostar, zögert er kurz und sagt dann: "Die große Zeit der Pornostars war bei Isabel ja schon vorbei." Er guckt kurz auf den Totenkopfring an seinem kleinen Finger und fügt hinzu: "Eine zweite Orlowski rauszubringen, wär' schon schön gewesen. Aber Isabel hat ja auch zwei Preise bekommen." Dann kramt er umständlich in der Videosammlung neben dem Fernseher herum. Nach einer Weile zieht er eine Kassette aus dem Regal und sagt: "Bei dem Dreh hat sie am meisten Spaß gehabt." Seine Frau nickt zustimmend von der rosa Couch herüber. "Spermasüchtig durch Berlin" steht auf dem Cover, darunter ein Bild von Isabel, nackt, vor dem Berliner Haus der Kulturen.

Das Verhältnis zu ihrer Familie war nicht immer einfach

Mittlerweile ist aus dem aktiven Geschäft ausgestiegen und arbeitet als Visagistin am Set. Sie experimentiert nun an fremden Körpern. Gerade produziert ihre Gatte "Ein mörderischer Fick", Isabel musste die Schusswunden an der richtigen Stelle platzieren. Das habe ihr "auch sehr viel Spaß gemacht". In der Küche pfeift der Teekessel, Goldberg legt die Hand auf das Knie seiner Frau und gurrt: "Lass nur, Schatz, ich mach' das." Sie versinkt ein Stückchen tiefer in dem Sofa, spielt mit dem Herz an ihrer Halskette. Hat es sie nie gestört, Sex vor laufender Kamera zu haben? "Das ist Arbeit, da kippt man einen Schalter um, und dann ist gut."

Am Abend sind sie bei ihrer Mutter eingeladen, es soll Flammkuchen geben aus einem speziellen Flammkuchen-Ofen. Auf der Wohnzimmer-Kommode steht schon die Riesenpackung "Raffaello" als Mitbringsel bereit. Das Verhältnis zu ihrer Familie sei nicht immer einfach gewesen, sagt Isabel. Pornodarstellerin ist nicht unbedingt die elterliche Traumvorstellung vom beruflichen Werdegang der Tochter. Mittlerweile habe sich das erledigt.

Auch in dem kleinen Dorf südlich von Berlin, in dem Isabel und Klaus Goldberg leben, wird nicht mehr getuschelt. Wie der Ort genau heißt, darf man aber nicht schreiben. "Sonst rennen mir die Bewerber hier wieder die Bude ein", hat Goldberg gesagt. Es ist immer das Gleiche: Die "Bewerber" wollten dann entweder ein Rendezvous mit seiner Frau oder gleich selbst in einem Film mitspielen. Und das, findet Klaus Goldberg, gehe ja nun wirklich zu weit.

Stéphanie Souron

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