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Die Luft ist raus: Wechseljahre – "Ein Umbruch, der Klarheit bringt"

Katja Burkard: Wechseljahre - "Ein Umbruch, der Klarheit bringt": Katja Burkard im Pool
© Thomas Rabsch
Sie wurde gewarnt: Das ruiniert deine Fernsehkarriere! RTL-Moderatorin Katja Burkard machte es trotzdem – und schrieb ein Buch über ihre Menopause. Weil es vielleicht nicht sexy, aber unfassbar ist: Wie kann es sein, dass ein Thema, das fast jede Frau betrifft, totgeschwiegen wird?

BRIGITTE WOMAN: Frau Burkard, wir Frauen haben keine Probleme, über Schwangerschaft, Sex oder unsere Tage zu sprechen, nur wenn es um Wechseljahre geht, tun wir das oft mit vorgehaltener Hand. Warum?

Katja Burkard: Weil viele von uns das Gefühl haben, jetzt zum alten Eisen zu gehören, unsexy zu sein, von Männern nicht mehr angeschaut zu werden. Eine Schwangerschaft bedeutet neues Leben, Glück, da tauschen wir begeistert Erfahrungen aus. Die Wechseljahre dagegen führen uns unser Verfallsdatum vor Augen, deshalb reden wir nicht gern darüber. Es gibt sogar Frauen, die ihren Männern gegenüber verheimlichen, dass sie in den Wechseljahren sind – als wäre das eine schlimme Krankheit.

Viele Männer meinen, die Frauen würden jetzt hysterisch.

Diese Vorstellung hat eine lange Tradition. Hystera ist das griechische Wort für Gebärmutter, und schon in der Antike wurde die Hysterie als typisch weibliche Krankheit gesehen. Viele Männer meinen, sich jetzt vor ihren Frauen hüten zu müssen, manche haben ihre Mütter, ihre Omas in den Wechseljahren erlebt, die zu verbiesterten, keifigen Frauen geworden sind. Ich denke, die Verunsicherung der Männer hat aber auch damit zu tun, dass sie sich selbst vor der Midlife-Crisis fürchten, vor dem Alter, vor den Veränderungen, die das mit sich bringt. Auch wenn sie viel länger fruchtbar sind als Frauen.

Aber Midlife-Crisis klingt nicht so unsexy wie Wechseljahre.

Ich finde, beides klingt nicht sonderlich sexy. Aber darum geht es ja auch gar nicht. Diese Zeit hat andere große Herausforderungen, für Frauen wie für Männer. Für Frauen ist es besonders einschneidend, nicht mehr fruchtbar zu sein. Viele können ihren Gefühlen jetzt nicht mehr trauen, leiden unter Stimmungsschwankungen, das habe ich selbst erlebt.

Sind Sie denn gegenüber Ihrem Partner, Ihren Töchtern offen mit Ihren Wechseljahren umgegangen?

Überhaupt nicht! Ich habe allerdings lange nicht begriffen, was mit mir los ist. Ich habe mich über Kleinigkeiten total aufgeregt, konnte schlecht schlafen. Einmal musste ich nach der Arbeit noch ein Paket zur Post bringen und dachte: Das schaffe ich nicht mehr. Ich habe meine Kinder in einer unmöglichen Art und Weise angeschrien – so sehr, dass ich am Ende keine Stimme mehr hatte. Da geniere ich mich heute noch. Es fühlte sich an, als würde ein fremdes Wesen in meinem Kopf regieren. Eine Zeit lang meinte ich, dass ich Depressionen habe, dabei bin ich normalerweise ein gut gelaunter, zupackender Mensch. Ich war komplett anders als sonst. Weil ich aber keine Hitzewallungen hatte, bin ich nicht drauf gekommen, dass mich die Wechseljahre erwischt hatten. Dabei hätte ich die Hitzewallungen lieber genommen.

Wäre aber vor laufender Kamera nicht so lustig gewesen.

Stimmt. Vielleicht war mein Körper da einfach schlau und hat mir das erspart.

Hat Ihre Familie Sie nicht freundlich darauf hingewiesen, dass Sie womöglich in den Wechseljahren sind?

Schon, aber ich habe das nicht so an mich rankommen lassen. Als ich meine Periode nur noch unregelmäßig bekam, dachte ich, das käme vom vielen Sport und vom Gewichtsverlust. Ich hatte damals bei der Show "Let’s Dance" mitgemacht und hart trainiert. Es hat Spaß gemacht, war aber auch stressig. Es gab dann einen Schlüsselmoment, als ich ziemlich kopflos über eine rote Ampel ging. Ein Jeep musste abrupt bremsen, die Fahrerin stieg aus und brüllte auf mich ein. Ein Mann, der die Szene beobachtete, sagte zu mir: Machen Sie sich nichts draus. Das ist bloß eine Furie in den Wechseljahren. Plötzlich war bei mir der Groschen gefallen.

Haben Sie dann etwas genommen, Hormone oder pflanzliche Mittel?

Ich habe sofort bioidentische Hormone genommen, und nach zwei Wochen war ich wieder ich. Ich war ruhig und ausgeglichen, konnte meiner Wahrnehmung wieder trauen. Es war, als wäre ein Schalter umgelegt. Ich nehme diese Hormone bis heute. Mittlerweile kann ich sogar über mich und meine Wechseljahre lachen.

Können Sie nachvollziehen, dass viele Frauen keine Hormone nehmen, weil sie Angst vor Krankheitsrisiken haben?

Natürlich. Wenn es bei einer Frau zum Beispiel Brust- oder Eierstockkrebs in der Familie gibt oder jemand ein größeres Thrombose-Risiko hat, finde ich die Ängste total berechtigt. Aber es gibt ja auch viele Frauen, die starke Symptome haben und trotzdem meinen, ihr Körper müsse es ganz ohne Hormone oder pflanzliche Mittel schaffen. Meiner Meinung nach muss man mehr aufklären über die Wechseljahre – auch darüber, was sie unbehandelt körperlich und seelisch verursachen.

Haben Sie sich mit Ihren Freundinnen über das Thema ausgetauscht?

Komischerweise nicht so sehr, obwohl wir sonst über ziemlich alles sprechen: Männer, Macken, Psychotherapien, Botox, Seitensprünge, wer mit wem, finanzielle Probleme ... Eigentlich gibt es da kaum Tabuthemen – außer den Wechseljahren. Zwischendurch habe ich mich sogar gefragt: Bin ich hier eigentlich das einzige Weichei, das damit Probleme hat, und alle anderen gehen da durch, als wäre nichts?

Das klingt, als gäbe es einen Menopausen-Leistungsdruck: Wer das problemlos meistert, ist toll und taff.

Wenn Frauen behaupten, sie würden das alles super hinkriegen, verunsichert das diejenigen, die Probleme haben. Die wenigen Frauen, die nicht unter ihren Wechseljahren leiden, haben schlicht großes Glück. Ich finde, wir müssen solidarisch sein, Erfahrungen austauschen. Wir sollten mehr reden, mit unseren Freundinnen, mit unseren Müttern und Töchtern, anstatt uns in dieser Zeit allein zu fühlen. Schließlich sitzen wir alle in einem Boot. Auch in der Öffentlichkeit muss das Thema mehr stattfinden.

In "Sex and the City" wurde das Thema immerhin aufgegriffen, als Samantha mit Anfang 50 in die Wechseljahre kommt.

Stimmt, aber in den Medien wurde dann wenig über Samanthas Menopause berichtet, dafür ging es wieder um schicke Outfits und Männer. Auf dem Buchmarkt gibt es viele Ratgeber, aber kaum Bücher, in denen eine Frau offen über ihre Wechseljahre spricht. In den Zeitschriften oder im Fernsehen findet das Thema ebenfalls kaum statt. In den 23 Jahren, die ich meine Sendung "Punkt 12" moderiere, habe ich gefühlt jedes erdenkliche gynäkologische Thema anmoderiert, von schmerzhaften Regelblutungen bis zu Geschlechtsumwandlungen, aber Wechseljahre waren nicht dabei. Ist das nicht verrückt? Es gibt in Deutschland rund zwölf Millionen Frauen zwischen 40 und 59, die also in den Wechseljahren sind oder sie gerade hinter sich haben. Obwohl das Thema so viele Frauen betrifft, scheint es nicht massenkompatibel zu sein.

Wie offen sind Sie in Ihrem Sender mit dem Thema umgegangen? Haben Sie auch mal gesagt: Ich kann heute leider nicht kommen, ich habe Wechseljahresbeschwerden.

Bloß nicht, ich hätte mich zu Tode geschämt. Ich habe mir im Job nichts anmerken lassen.

Als Sie in die Wechseljahre kamen, kam Ihre 14-jährige Tochter in die Pubertät. War das der hormonelle Super-GAU?

Das kann man so sagen. Wir sind ständig aneinandergerasselt. Meine Tochter war im selben Modus wie ich: Sie wollte nicht einsehen, dass sie gerade in einer besonderen Phase ist. Bei meiner jüngeren Tochter fängt es jetzt gerade an mit der Pubertät. Sie hat Glück, weil ich den hormonellen Ausnahmezustand inzwischen quasi studiert und jetzt viel Verständnis für sie habe. Sie profitiert davon, dass ich spät Mutter geworden bin. Bei den meisten Frauen in meinem Alter sind die Töchter ja schon durch mit der Pubertät.

Wie hat sich der Umbruch auf die Beziehung zu Ihrem Lebensgefährten ausgewirkt?

Wir hatten eine schwere Krise. Das lag daran, dass ich plötzlich vieles infrage gestellt habe. Es gab eine Menge Ungesagtes und Unverarbeitetes in unserer Beziehung, das sich angestaut hatte, und das musste jetzt raus. Ein häufiger Streitpunkt betraf beispielsweise die Alltagsorganisation. Mein Mann ist unter der Woche beruflich viel unterwegs, ich kümmere mich um die Kinder und den Haushalt. Oft kam er am Freitag nach Hause und wollte dann alles Mögliche umorganisieren. Ich empfand das als missachtend mir gegenüber. Er wiederum fühlte sich ausgeschlossen und hatte das Gefühl, nicht mitreden zu dürfen.

Wie haben Sie den Konflikt gelöst?

Wir haben uns in dieser Zeit viel auseinandergesetzt, und ich bin im Nachhinein sehr froh, dass er so konstruktiv mitgemacht hat. Ich konnte ungehemmter mit meinen Emotionen sein, dadurch kam auch etwas in Gang. Ich habe mir und uns viele Fragen gestellt: Passen wir wirklich zusammen, lieben wir uns noch? Wollen wir den Rest des Lebens miteinander verbringen? Mag er noch diejenige, die ich jetzt bin? Im Prinzip haben meine Wechseljahre unsere Beziehung gerettet.

Würden Sie sagen, dass Sie in den Wechseljahren Ihr Leben grundsätzlich infrage gestellt haben?

Nein, insgesamt bin ich sehr zufrieden mit meinem Leben. Aber der Unterschied zu früher ist: Ich möchte keine Halbheiten, keine faulen Kompromisse mehr. Ich glaube, es geht den meisten Frauen in dieser Umbruchzeit so: Man kann nur schlecht mit Dingen umgehen, die einen schon lange nerven. Man hat das Bedürfnis, sein Leben aufzuräumen.

Wo haben Sie aufgeräumt?

Ich bin ein harmoniebedürftiger Mensch, ich sage selten Nein, streite mich nicht gern. Ich bin das, was ich "geländegängig" nenne, also sehr anpassungsfähig. In meiner Kindheit war ich immer das Sonnenscheinchen, das gute Laune verbreitet hat – auch in der Gastwirtschaft, die meine Eltern betrieben haben. Mit den Wechseljahren habe ich gemerkt, dass mich diese Rolle einengt, ich bin eben nicht immer gut drauf. Heute sage ich Verabredungen auch mal ab, wenn ich mit mir allein sein will.

Sind Sie kritischer sich selbst gegenüber geworden?

Eher im Gegenteil. Früher war ich meine größte Kritikerin, bin mich selbst hart angegangen, wenn ich dies oder jenes nicht geschafft habe. Heute kann ich viel besser lockerlassen. Ich bin klarer und weiß, dass ich mir vertrauen kann. Ich habe gelernt, was Selbstvertrauen wirklich heißt.

Verdanken Sie das nicht auch dem Älterwerden?

Das geht doch Hand in Hand. Ich glaube, es brauchte bei mir wirklich diesen Einschnitt, damit etwas aufbrechen konnte. Nicht umsonst spricht man ja von Wechseljahren.

Es gibt aber viele Frauen, die in erster Linie leiden und heilfroh sind, wenn es vorbei ist.

Das stimmt. Trotzdem finde ich, dass keine Frau dieser Lebensphase hilflos ausgeliefert sein muss. Jede sollte sich umfangreich beraten lassen, damit sie besser weiß, was mit ihr los ist und was sie tun kann. Leider kennen sich immer noch viel zu wenige Ärzte wirklich mit Hormonen aus. Ich habe für mein Buch den renommierten Hormonspezialisten Professor Johannes Huber interviewt. Der sagt: Viele Frauen mit Stimmungsschwankungen würden zum Psychiater überwiesen und bekämen Psychopharmaka. Dabei seien es in Wirklichkeit die Hormone, die ihnen fehlen. Das ist doch unglaublich!

Müssen Frauen eigentlich damit leben, dass in den Wechseljahren die sexuelle Lust nachlässt, oder ist das ein Vorurteil?

Natürlich kann durch die hormonelle Umstellung die Lust auf Sex erst mal weniger werden. Aber das muss nicht so sein und muss auch nicht so bleiben. Es gibt Studien, denen zufolge Frauen zwischen 50 und 60 den besten Sex ihres Lebens haben. Sie wissen, was sie im Bett wollen und was sie nicht wollen. Endlich brauchen sie keine Angst mehr vor einer Schwangerschaft zu haben, auch die Menstruation ist nicht mehr im Weg. Sie denken nicht mehr so häufig daran, ob sie beim Sex gut aussehen und womöglich den Bauch einziehen müssen. Ein positives Verhältnis zu sich selbst zu haben kann attraktiver sein als ein junger, knackiger Körper.

Sie sind jetzt in Ihrem vierten Wechseljahr. Wie lautet Ihr bisheriges Fazit?

Ich habe schon immer auf meinen Bauch gehört, aber oft Zweifel gehabt, ob ich diesen Gefühlen auch folgen darf. Heute weiß ich, dass ich es darf. Ich nehme mehr Rücksicht auf meine Bedürfnisse. Früher habe ich in erster Linie darauf geachtet, dass es meiner Familie gut geht, heute nehme ich mehr Rücksicht auf meine eigenen Bedürfnisse. Ich bin mehr im Einklang mit mir als in der Zeit, als ich um die 40 war, fühle mich authentischer. Dass ich das alles sehr bewusst erleben, darüber nachdenken kann, empfinde ich als Privileg. Nur mein Bindegewebe ist leider nicht mehr so fest wie mein Charakter.

Katja Burkard wurde 1965 im Westerwald geboren, ihre Eltern hatten eine Gaststätte. Seit 1997 moderiert sie das RTL-Mittagsmagazin "Punkt 12", ihr Markenzeichen ist das Lispel-S, das sie nach eigener Aussage aber nicht stört. Burkard ist mit dem ehemaligen RTL-Chefredakteur Hans Mahr liiert, mit dem sie zwei Töchter hat. Sie lebt mit ihrer Familie in Köln.

Ehrliche Worte
Ihr Buch "Wechseljahre? Keine Panik!" ist im Blanvalet-Verlag erschienen (240 Seten, 15 Euro). Ihre 5 besten Tipps gegen Wechseljahre verrät die Moderatorin hier.

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BRIGITTE WOMAN 11/2019

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